MOSKAU. Rußlands Präsident Wladimir Putin hat angekündigt, gegen den Chef der russischen Privatarmee „Wagner“, Jewgeni Prigoschin, wegen Landesverrat vorzugehen. „Das ist ein Dolchstoß in den Rücken unseres Landes und unseres Volkes“, sagte Putin in einer am Samstag morgen im russischen Staatsfernsehen ausgestrahlten Rede.
„Unsere Maßnahmen zur Verteidigung des Vaterlandes gegen eine solche Bedrohung werden hart sein.“ Der Staatschef reagierte damit auf Berichte, wonach Prigoschin mit seinen Soldaten die südrussische Stadt Rostow eingenommen habe.
Putin: Die Situation ist dieselbe wie 1917
Die Situation sei dieselbe wie 1917, als das Land sich im Ersten Weltkrieg befand, kommentierte Putin des Aufstand der Söldnerarmee. „Intrigen, Zankereien, politische Machenschaften hinter dem Rücken der Armee und des Volkes führten zum größten Schock, zur Zerschlagung der Armee und zum Zerfall des Staates, zum Verlust riesiger Gebiete“, mahnte der Staatschef.
Das Ergebnis damals sei die Tragödie des Bürgerkrieges gewesen, bei der Russen auf Russen geschossen hätten. Putin hob in seiner Rede die Leistungen des Söldnerheeres lobend hervor, erwähnte den Namen des Wagner-Chefs Prigoschin selbst aber mit keinem Wort. Er appellierte an seine Bürger, Ruhe zu bewahren. Anti-Terror-Maßnahmen würden nun eingeleitet, um den Putschversuch niederzuschlagen.
Prigoschin: Die russische Armee hat uns angegriffen
Am Freitag behauptete Prigoschin in einer über das Internet verbreiteten Mitteilung, die russische Armee habe seine Soldaten auf Befehl von Verteidigungsminister Sergej Schoigu angegriffen. Daraufhin rückte Prigoschin mit seinen Wagner-Söldnern in Rostow ein.
Wagner forces have made it to the Southern Military District Headquarters in Rostov. pic.twitter.com/BVKmfuWWEm
— OSINTtechnical (@Osinttechnical) June 24, 2023
Der Wagner-Chef gab bekannt, daß seine Truppe die gesamte Region mit sechs Millionen Einwohnern kontrolliere und die Kontrolle über Militäreinrichtungen und Luftwaffenstützpunkte übernommen habe. Dazu gehöre offenbar auch das Hauptquartier des südlichen Militärdistrikts Rußlands.
Prigoschin zufolge haben sich große Teile des russischen Militärs seinem Aufstand angeschlossen. Sogar der Vize-Verteidigungsminister des Landes soll aufseiten der Rebellen stehen.
In Moskau fahren Schützenpanzer auf
In der Region Woronesch weiter nördlich soll es derweil zu schweren Kämpfen zwischen den Söldnern und regulären Militäreinheiten gekommen sein. In den sozialen Medien kursierende Bilder zeigen ausgebrannte Militärfahrzeuge und einen abgeschossenen Militärhubschrauber.
RuAf-Hubschrauber bombardiert die Treibstoffbasis in Woronesch pic.twitter.com/oAo4LFEA6o
— Anna (@Anna_Lena2022) June 24, 2023
Auch in Moskau fuhren am Morgen Schützenpanzer auf, offenbar loyale Einheiten von Diktator Wladimir Putin. In Sankt Petersburg wurde das Hauptquartier der Wagner-Söldner von der Polizei besetzt. Bisher scheint die Kontrolle der Putschisten auf die Grenzgebiete im Südwesten Rußlands beschränkt zu sein.
An Antonov An-26 Transport Aircraft with the Russian Air Force is now Confirmed to have been Shot Down today by Wagner PMC Forces somewhere in the Voronezh Region of Western Russia; it was originally thought that this could be a Video from last year but that is not the case. pic.twitter.com/6B3N5ORguQ
— OSINTdefender (@sentdefender) June 24, 2023
Russischer Geheimdienst leitet Ermittlungen gegen Wagner-Chef ein
Der Kreml seinerseits leitete daraufhin Ermittlungen gegen den Söldnerchef wegen des Aufrufs zum bewaffneten Aufstand ein. Der russische Geheimdienst FSB rief Wagner-Kämpfer dazu auf, den lange Zeit auch als „Putins Koch“ bekannten Prigoschin festzunehmen. Kreml-Sprecher Dimitri Peskow erklärte zudem, daß Staatschef Wladimir Putin kontinuierlich über die Ereignisse informiert werde.
Mehrere Generäle, die eigentlich als Verbündete Prigoschins galten, veröffentlichten unterdessen Ansprachen, in denen sie den Wagner-Chef dazu aufforderten, seine Truppen zu stoppen. Doch bisher ignorierte er ihre Appelle. (mp/fw)
Die JUNGE FREIHEIT behält die Entwicklungen vor Ort im Auge und wird Sie fortlaufend über neue Ereignisse informieren.