JERUSALEM. Das israelische Parlament, die Knesset, hat die Justizreform zur Einschränkung der Zuständigkeiten des Obersten Gerichtshofs gebilligt. 67 von 120 Abgeordnete stimmten am Montag für die Gesetzesvorlage, nachdem die Opposition unter Protestrufen das Plenum verlassen hatte.
Reasonableness standard bill approved in final readings in the Knesset Plenumhttps://t.co/tPKH2T2IEC pic.twitter.com/0TOf58ocf4
— The Knesset (@KnessetENG) July 24, 2023
„Ich möchte mich an die Gegner der geplanten Änderungen wenden und sagen: Wir gehen diesen Weg sehr vorsichtig“, sagte Justizminister Yariv Levin (Likud, Konservative) während der der Abstimmung vorhergehenden Parlamentsdebatte. Die Befugnisse der Richter würden nicht abgeschafft, sondern so eingeschränkt, „daß ihre Weltanschauung nicht mehr die Entscheidungen des Volkes ersetzen könne“.
Justice Minister MK Levin: There’s no example in the world of a sweeping reasonableness standard, which replaces completely discretion of elected echelon with that of judges; Opposition Leader MK Lapid: We’re headed for a disasterhttps://t.co/kujVkqB8ir pic.twitter.com/EoyyCFq4rS
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Opposition sieht „Abkehr vom Prinzip Verantwortung“
Oppositionsführer Jair Lapid (Jesch Atid, Liberale) fand in seiner Rede harsche Wort für das Gesetzesvorhaben. „Niemals zuvor in der Geschichte dieses Staates hat es eine derartige Abkehr vom Prinzip Verantwortung gegeben“, warnte der einstige Finanzminister Lapid. Mit der Reform lasse die Regierung das Land auseinanderfallen. Sie wolle eine Spaltung des Volkes herbeiführen, die der israelischen Gesellschaft und Wirtschaft schweren Schaden zufügen werde.
During summary of debate on reasonableness standard bill, Constitution Committee Chair MK Rothman says “Supreme Court created lack of trust in government institutions”; MK Liberman: “We will not let Israel become a halachic state”https://t.co/X62NGjRtuK pic.twitter.com/JLrvbruJs1
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Auch der Vorsitzende der säkular-nationalistischen „Jisra’el Beitenu“-Partei, Avigdor Liebermann, kritisierte das Gesetzesvorhaben. „Der Premierminister hatte die Wahl: Die Ganzheit der Nation oder die Ganzheit der Koalition, und er hat sich für die Ganzheit der Koalition entschieden“, mahnte er in der Knesset. Zuvor waren verschiedene Versuche, einen Kompromiß zwischen der Regierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu (Likud) und der Opposition zu finden, gescheitert. Netanjahu selbst wurde kurz vor der Debatte noch am Herzen operiert, hatte dann aber darauf bestanden, in die Knesset zu kommen.
Protestkundgebungen in ganz Israel angekündigt
Außerhalb des Parlaments kam es unterdessen zu Tumulten. Tausende Demonstranten hatten sich laut der israelischen Tageszeitung Haaretz rund um das Parlamentsgebäude versammelt und wurden teils mit Wasserwerfern auf Abstand gehalten. Auch auf der Jerusalemer Stadtautobahn bildete sich ein Demonstrationszug.
In several locations around Israeli parliament in Jerusalem, pro-democracy demonstrators are blocking the roads today, in protest against a bill that will weaken judiciary. Police using force, handsaws, water cannons — but unable to move them @haaretzcom pic.twitter.com/IQdk4gFfAy
— Noa Landau נעה לנדאו (@noa_landau) July 24, 2023
Im Internet kursieren zahlreiche Videoaufnahmen, die Rangeleien zwischen Polizisten und Protestierern zeigen. Mindestens 19 Demonstranten sollen bis zum frühen Nachmittag allein in Jerusalem verhaftet worden sein. Seit Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses wurde in mehreren israelischen Städten – wie etwa Tel Aviv, Haifa und Karmi’el – zu weiteren Protestkundgebungen aufgerufen.
המשטרה עוצרת את המפגינים ליד מחלף ניות (צריך להתרגל לשמות) ובמקום מעצרים תוך שימוש בכח רב.
מאות עצרו וחזרו אחורה.
כאן נשארו כ-300. pic.twitter.com/uPqLVzAEj1— Josh Breiner (@JoshBreiner) July 24, 2023
(fw)