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Hunderte Tote: Großangriff auf Israel: Einige sprechen bereits von neuem Jom-Kippur-Moment

Hunderte Tote: Großangriff auf Israel: Einige sprechen bereits von neuem Jom-Kippur-Moment

Hunderte Tote: Großangriff auf Israel: Einige sprechen bereits von neuem Jom-Kippur-Moment

Israeli police officers evacuate a woman and a child from a site hit by a rocket fired from the Gaza Strip, in Ashkelon, southern Israel, Saturday, Oct. 7, 2023. The rockets were fired as Hamas announced a new operation against Israel. (AP Photo/Tsafrir Abayov)
Israeli police officers evacuate a woman and a child from a site hit by a rocket fired from the Gaza Strip, in Ashkelon, southern Israel, Saturday, Oct. 7, 2023. The rockets were fired as Hamas announced a new operation against Israel. (AP Photo/Tsafrir Abayov)
Isaelische Sicherheitskräften evakuieren Einwohner nach Raketenbeschuß durch Hamas Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Tsafrir Abayov
Hunderte Tote
 

Großangriff auf Israel: Einige sprechen bereits von neuem Jom-Kippur-Moment

Seit Stunden herrschen in Teilen Israels Kriegszustände. Das Militär wird von der Terroroffensive der Hamas fast völlig überrascht. Der israelische Gegenschlag dürfte massiv werden.
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Das Drama an diesem Samstag, einem Feiertag, der eigentlich der „Freude an der Thora“ (Simchat Thora) gewidmet ist – es entfaltet sich vor den Augen der Nation: Im Fernsehen können die Israelis live die Hilferufe ihrer Landsleute aus dem Süden verfolgen. Es melden sich Bewohner kleiner Ortschaften an der Grenze zum Gazastreifen, in die am Morgen palästinensische Terroristen zahlreich eingedrungen sind.

Im Kanal 12 zum Beispiel ist eine Frau aus dem Kibbutz Sufa zugeschaltet, die mit ihrer Familie in einem Schutzraum hockt: „Sie schießen auf unser Haus, sie versuchen, die Tür zum Schutzraum aufzubrechen“, sagt sie und fleht: „Schickt Hilfe, bitte!“ Im Kanal 11 meldet sich eine Frau aus Sderot und erzählt, die Terroristen hätten an Türen geklopft; Bewohner hätten geöffnet in der Annahme, es handle sich um die Armee, und seien dann entführt worden.

Eskalation im Morgengrauen

Begonnen hatte dieser Tag der Eskalation gegen 6:30 Uhr: massiver Raketenbeschuß bis tief ins Landesinnere, auch nach Jerusalem. Allein bis Mittag zählt die israelische Armee Tausende Geschosse, die Raketenwarnapp steht nicht still. „Das übliche eben“, konnte man zunächst noch meinen. Im Grunde gibt es jedes Jahr eine solche Eskalation, zuletzt im Mai, als der Palästinensische Islamische Dschihad Raketen aus dem Gazastreifen nach Israel feuerte – schlimm genug.

Schnell wird jedoch deutlich, daß dieser palästinensische Angriff hier anders ist, eine völlig neue Dimension hat: Nach und nach tauchen erschreckende Videos und Bilder auf, die klar machen, daß parallel zum anhaltenden Raketenbeschuß unzählige Terroristen auf israelisches Staatsgebiet vorgedrungen und in israelische Ortschaften eingefallen sind – sie ermorden auf der Straße wahllos Zivilisten und dringen in Häuser ein. Die israelische Armee, die am Samstag zahlreiche Reservisten mobilisierte, wurde davon offenbar vollkommen überrumpelt und wirkt überfordert.

Während in Israels Süden die Angst vor Massakern um sich greift, berauscht sich die Hamas auf ihrem Telegram-Kanal vor den Augen der Welt an ihren „Erfolgen“: Auf einem Video ist zu sehen, wie Terroristen Soldaten aus einem Panzer ziehen. Ein anderes Video zeigt regelrecht massakrierte Soldaten am Boden: Blut überall. Zahlreiche Videos von entführten israelischen Zivilisten kursieren im Internet.

Armee bekommt Lage nicht in Griff

Selbst am Mittag – Stunden nach Beginn dieses groß angelegten Überfalls – spricht ein Armee-Sprecher im Fernsehkanal 11 immer noch im Futur: „Wir werden die Kontrolle in allen Ortschaften im Süden wieder zurückerlangen.“ Umkehrschluß: Man hat sie fast vollkommen verloren. Darin ändert sich auch am Nachmittag nichts: Der Rote Davidstern weiß von Verletzten in den betroffenen Ortschaften, kann aber nicht zu ihnen vordringen.

Wie viele tote Zivilisten und Soldaten die Israelis allein an diesem einen Tag werden zählen müssen, ist noch unklar. Der Rote Davidstern sprach zuletzt von 40 Toten, die Zahlen werden aber weiter steigen: In israelischen Medien ist bereits von 100 Toten die Rede – eine für einen Gaza-Krieg schon jetzt präzedenslos hohe Zahl. Völlig offen ist auch noch, wie viele Menschen in den Gazastreifen entführt worden sein könnten. Auch hier sind jedoch hohe Zahlen zu befürchten. Die Hamas deutet entsprechendes an.

Der gewaltsame Konflikt der Palästinenser mit Israel befindet sich bereits seit längerem in einer intensiven Phase: Immer wieder verüben Palästinenser mörderische Anschläge auf zivile israelische Ziele. Die israelischen Sicherheitskräfte führen im Westjordanland regelmäßig Anti-Terroroperationen durch, die teils auch unter den Palästinensern tote Zivilisten fordern. Zuletzt hatte die Hamas zudem an der Grenze zwischen Gazastreifen und Israel gewalttätige Ausschreitungen orchestriert. Die waren jedoch kürzlich wieder zur Ruhe gekommen.

50 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg

In Israel hatten zu diesem Zeitpunkt die wenigsten mit einem derartigen Terrorgroßschlag gerechnet. Von einer „Überraschung“ ist daher nun allenthalben die Rede. Einige sprechen schon von einem zweiten Jom-Kippur-Moment: 1973 hatten Syrien und Ägypten Israel am höchsten jüdischen Feiertag überraschend überfallen und in existenzielle Bedrängnis gebracht – ein Trauma bis heute. Der fünfzigste Jahrestag dieses Ereignisses war – gestern.

Noch ist es schwer zu sagen, welchen weiteren Verlauf diese Eskalation nehmen wird. Der israelischen Armee, die eine Operation „Eisernes Schwert“ ausgerufen hat, wird es nun zunächst darum gehen, die akute Bedrohungslage in den Ortschaften im Süden in den Griff zu bekommen. Parallel laufen die Gegenangriffe im Gazastreifen an, die auch dort bereits zahlreiche Opfer fordern.

In der Vergangenheit konnten einige Auseinandersetzungen mit Terroristen in der Küstenenklave innerhalb weniger Tage beendet werden. Aufgrund der Schwere und dem besonders brutalen Charakter des Angriffs mit zahlreichen Entführungen und hohen Todeszahlen ist damit jedoch dieses Mal nicht zu rechnen, eher mindestens mit einer militärischen Auseinandersetzung in der Dimension des Gaza-Kriegs von 2014.

Startet Israel ein Bodenoffensive im Gazastreifen?

Dieser hatte sich seinerzeit über anderthalb Monate erstreckt und auch eine Bodenoffensive der israelischen Armee im dicht besiedelten und städtisch geprägten Gazastreifen umfaßt. An einer dauerhaften Besetzung der Küstenenklave, die der jüdische Staat 2005 freiwillig geräumt hatte, ist in Israel kaum einer interessiert. Dennoch werden sich die Augen nun darauf richten, ob „Zahal“, wie die Armee auf Hebräisch genannt wird, den komplexen Schritt einer Bodenoffensive wagen wird.

Vor allem die Tatsache, daß sich nun womöglich Dutzende Israelis in der Gewalt der Hamas befinden, werden Politik und Armee unter extremen Druck setzen. Bereits seit Jahren ringt die Regierung darum, vier Israelis freizubekommen, die von der Hamas in der Küstenenklave festgehalten werden. Es handelt sich um eine nationale Angelegenheit. Nun also womöglich zahlreiche Weitere in den Fängen der Hamas? Israel könnte über Jahre nicht zur Ruhe kommen.

Verknüpfen sich verschiedene „Arenen“?

In den nächsten Tagen wird auch zu beobachten sein, inwiefern sich die Gaza-Lage mit anderen „Arenen“ verknüpft: Gelingt es der Hamas etwa, Araber in Israel für einen Aufstand zu mobilisieren, und was geschieht im Westjordanland? Kritisch ist auch, ob sich die im Vergleich zur Hamas viel stärkere Hisbollah im Libanon weiter ruhig verhält. Die – wie auch die Hamas – vom Iran unterstützte und hochgerüstete Terrororganisation befand sich in diesem Jahr bereits am Rande eines Krieges mit Israel.

Premierminister Benjamin Netanjahu jedenfalls stellte am Vormittag in einer kurzen Videoansprache klar: „Wir befinden uns nicht in einer Militäroperation und nicht in einer weiteren ‚Runde‘, wir befinden uns im Krieg.“ Von „Runden“ sprechen die Israelis sonst immer mit Blick auf die wiederkehrende Gewalt aus Gaza. Was heute seinen Anfang nahm, ist aber mehr als das.

Isaelische Sicherheitskräften evakuieren Einwohner nach Raketenbeschuß durch Hamas Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Tsafrir Abayov
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