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Nach aserbaidschanischer Invasion: Bergkarabach verkündet Selbstauflösung

Nach aserbaidschanischer Invasion: Bergkarabach verkündet Selbstauflösung

Nach aserbaidschanischer Invasion: Bergkarabach verkündet Selbstauflösung

Flüchtlinge aus Bergkarabach überqueren die Grenze nach Armenien – der Staat aus dem sie kommen existiert bald schon nicht mehr Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Vasily Krestyaninov
Flüchtlinge aus Bergkarabach überqueren die Grenze nach Armenien – der Staat aus dem sie kommen existiert bald schon nicht mehr Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Vasily Krestyaninov
Flüchtlinge aus Bergkarabach überqueren die Grenze nach Armenien – der Staat aus dem sie kommen existiert bald schon nicht mehr Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Vasily Krestyaninov
Nach aserbaidschanischer Invasion
 

Bergkarabach verkündet Selbstauflösung

Zehntausende Menschen verlassen nach der Invasion Aserbaidschans Bergkarabach im Kleinen Kaukasus. Armenien sieht sich mit einer Massenflucht konfrontiert. Und um das Chaos perfekt zu machen, löst sich nun auch der Kleinststaat in der Region förmlich auf.
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STEPANAKERT. Die international nicht anerkannte Zwergrepublik Arzach im Kleinen Kaukasus hat nach der Invasion durch Aserbaidschan ihre Auflösung bekanntgegeben. Der Präsident des Staates, Samwel Schahramanjan, unterzeichnete laut der armenischen Nachrichtenagentur Armenpress am Donnerstag ein Dekret, gemäß dem alle staatlichen Behörden auf dem Gebiet der Gebirgsregion Bergkarabach bis 2024 aufgelöst werden sollen.

„Die Republik Arzach hört damit auf zu existieren“, betonte der Politiker. Der Erlaß sei unter dem Eindruck der „ernsten militärischen Lage“ verabschiedet worden und habe „die Sicherheit und das Interesse des Volkes zum Ziel“. Schahramanjan mahnte die Einhaltung der unter russischer Vermittlung mit Aserbaidschan ausgehandelten Garantien für einen freien Fluchtkorridor von Bergkarabach nach Armenien an.

Die Vertriebenen bekämen in Zukunft die Wahl, ob sie wieder nach Bergkarabach zurückkehren oder sich eine neue Heimat im armenischen Kernland aufbauen wollten. Das Dekret trete unmittelbar in Kraft. Zuvor war der einstige Premierminister des Ministaats, Ruben Vardanjan, von aserischen Sicherheitskräften festgesetzt worden, als er versuchte, die Grenze nach Armenien zu überqueren.

Zahl der Heimatvertriebenen steigt auf über 66.000

Unterdessen hat sich die Zahl der Flüchtlinge innerhalb weniger Tage vervielfacht. Mehr als 66.000 Menschen sollen die armenische Grenze bereits überquert haben, wie die armenische Regierung in Jerewan am Donnerstag mitteilte. „Die meisten Menschen sind gestern und vorgestern angekommen. Auch über Nacht steigen die Zahlen weiter an“, betonte der stellvertretende Ministerpräsident Tigran Chatscharjan nach einer Kabinettssitzung.

Chatscharjan versicherte, die Behörden würden den Heimatvertriebenen auch weiterhin ihre Hilfe anbieten. Auf im Internet verbreiteten Aufnahmen sind teils kilometerlange Staus auf dem Latschin-Korridor zwischen Bergkarabach und Armenien zu sehen.

Armeniens Premierminister Nikol Paschinjan unterstrich, er habe die internationale Gemeinschaft schon sehr lange vor einem Massenexodus aus Bergkarabach gewarnt. „Die Flucht der Armenier aus Bergkarabach ist die Folge der von Aserbaidschan forcierten Politik der ethnischen Säuberung“, mahnte der Staatschef. Analysen zeigten, daß bald schon kein einziger Armenier mehr in der Region leben werde.

Armenien erhöht Verteidigungsetat um fast zehn Prozent

Wenn die auf der politischen Bühne erhobenen Anklagen gegen Aserbaidschan nicht in Taten umgemünzt würden, verwandele sich die Verurteilung der Ereignisse in Zustimmung zu ihnen. „Heute ist es unsere Pflicht, unsere Brüder und Schwestern, die aus Bergkarabach vertrieben wurden, aufzunehmen und dafür zu sorgen, das ihre dringendsten Bedürfnisse erfüllt werden“, erläuterte Paschinjan das weitere Vorgehen seiner Regierung.

Bereits 2022 hatte Jerewan die Ratifizierung des sogenannten Römischen Statuts auf den Weg gebracht, daß es Armenien erlauben würde, Aserbaidschan für seine Invasion vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zur Rechenschaft zu ziehen. Außerdem sollen die Militärausgaben 2024 um 7,3 Prozent auf insgesamt 1,5 Milliarden Dollar steigen.

Vereinigte Staaten kündigen internationale Beobachtermission in Bergkarabach an

Die Vereinigten Staaten kündigten derweil die Entsendung einer internationalen Beobachtermission nach Bergkarbach an. „Wir begrüßen Signale von der Regierung Aserbaidschans, die eine solche Beobachtermission begrüßen würden“, teilte der Sprecher des US-Außenministeriums Matthew Miller am Mittwoch mit. Es müsse sichergestellt werden, daß die Waffen vor Ort schweigen und daß humanitäre Hilfe nach Bergkarabach durchgelassen wird.

Armenien und Aserbaidschan müßten ihre Differenzen auf diplomatischem Wege beilegen. Rußland hingegen habe sich als Vermittler disqualifiziert. „Ich glaube nicht, daß Rußland in der vergangenen Woche eine produktive Rolle gespielt hat“, bekräftigte der Ministeriumssprecher.

Internationales Rotes Kreuz fordert besseren Schutz für Heimatvertriebene

Das Internationale Rote Kreuz forderte währenddessen Schutz für die armenischen Flüchtlinge auf den Gebirgsstraßen von Bergkarabach. „Die Menschen dürfen nicht zu der Passage gezwungen werden. Familienmitglieder dürfen nicht gegen ihren Willen getrennt werden. Auf kranke, verwundete, ältere, schwangere, behinderte Menschen und unbegleitete Kinder muß besonders Rücksicht genommen werden“, verlangte die Hilfsorganisation.

Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium veröffentlichte indes eine Liste mit den von den Streitkräften der Republik Arzach erbeuteten Waffen, worunter sich neben Gewehren und Munition auch Artilleriegeschütze und Panzer befinden sollen. Unterdessen werden in den sozialen Netzwerken immer mehr Bilder von mutmaßlichen Plünderungen und vermeintlichen Vandalismus in den verwaisten armenischen Ortschaften von Bergkarabach öffentlich.

Flüchtlinge aus Bergkarabach überqueren die Grenze nach Armenien – der Staat aus dem sie kommen existiert bald schon nicht mehr Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Vasily Krestyaninov
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