KIEW. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi hat sich offen gezeigt für Gespräche über den Status der Separatistengebiete im Osten des Landes. „Wir können diskutieren und einen Kompromiß finden, wie diese Gebiete weitermachen können. Ich bin bereit für einen Dialog. Aber wir sind nicht bereit für eine Kapitulation“, sagte er gegenüber dem US-Sender ABC.
Zugleich betonte er, nicht gegenüber Forderungen Rußlands einknicken zu wollen. Diese sehen neben der Unabhängigkeit der beiden sogenannten Volksrepubliken im Donbass auch die russische Herrschaft über die 2014 annektierte Krim vor.
Wiederholt appellierte Selenskyj an Rußlands Präsident Wladimir Putin und forderte ihn zu direkten Verhandlungen auf. „Was Präsident Putin tun muß, ist, ein Gespräch zu beginnen, einen Dialog, anstatt weiter in einer Informationsblase ohne Sauerstoff zu leben.“
Kriegsparteien einigen sich auf Evakuierungen
Unterdessen soll seit Dienstag morgen eine Feuerpause für fünf große Städte in der Ukraine gelten, teilte das russische Militär mit. Dadurch könnten Zivilisten aus der Hauptstadt Kiew sowie Charkiw, Sumy, Tschernihiw und Mariupol evakuiert werden. In den vergangenen Tagen waren ukrainischen Berichten zufolge Einwohner beschossen worden, als sie das besonders umkämpfte Mariupol verlassen wollten.
Vertreter der Kriegsparteien hatten am Montag die Einrichtung von Fluchtkorridoren vereinbart. Es war das dritte Treffen von ukrainischen und russischen Gesandten seit Beginn der Kämpfe.
Auch in der Nacht zu Dienstag dauerte der Beschuß ukrainischer Städte durch Moskaus Truppen an. Ziel seien unter anderem Vororte von Kiew, Sumy und Ochtyrka gewesen. Genaue Zahlen über Tote und Verletzte gab es nicht.
Rußland droht mit Abschaltung von Nord Stream 1
Der ukrainische Generalstab vermeldete, daß Rußland seine Truppen in den Regionen um die Großstädte Kiew, Charkiw und Mariupol verstärke. Es wird damit gerechnet, daß diese belagert werden sollen, da der Kreml vor einem direkten Angriff zurückschrecke. Selenskyj räumte derweil ein, daß Rußland mittlerweile die Lufthoheit über die Ukraine erlangt habe.
Wegen der westlichen Sanktionen drohte Rußland nun mit einem Stopp der Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1. Vize-Regierungschef Alexander Nowak sagte demnach im Staatsfernsehen: „Wir haben das volle Recht, eine spiegelgerechte Entscheidung zu treffen und ein Embargo zu erlassen auf die Durchleitung des Gases durch die Pipeline Nord Stream 1, die heute maximal mit 100 Prozent ausgelastet ist.“ Noch sei jedoch keine Entscheidung für diesen Schritt gefallen. (ag)