BERLIN. Das ukrainische Außenministerium hat sich von seinem Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, distanziert. Dieser hatte während eines Interviews mit dem Journalisten Thilo Jung heftig den ukrainischen Partisanenführer Stepan Bandera verteidigt. Melnyk bestritt, daß es Belege gebe, der Nationalistenführer und seine Anhänger seien im Zweiten Weltkrieg für Massenmorde an Polen und Juden verantwortlich gewesen.
Nun schritt Kiew ein: „Die Meinung, die der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, in einem Interview mit einem deutschen Journalisten geäußert hat, ist seine eigene und spiegelt nicht die Position des ukrainischen Außenministeriums wider“, heißt es in einer Erklärung der Behörde.
Ist Herr Botschafter #Melnyk ein Holocaust Leugner? Thilo #Jung stellt ausnahmsweise mal die richtigen Fragen. Hört die Antworten des Herrn Botschafters … pic.twitter.com/dszngkQpZp
— Carsten Jahn TEAM HEIMAT ⚫️🔴🟡 (@JahnTeam) June 30, 2022
Bandera, den Melnyk als „Freiheitskämpfer“ bezeichnet hatte, gilt in Polen als Massenmörder an Landsleuten. Die von ihm geführten nationalistischen Partisanen hatten 1943 in der nordwestlichen Ukraine „ethnische Säuberungen“ durchgeführt. Dabei wurden Zehntausende polnische Zivilisten zum Teil bestialisch ermordet. Melnyk sagte: „Bandera war kein Massenmörder von Juden und Polen.“ Vielmehr sei dieser von der Sowjetunion dämonisiert worden.
Sorge um die Beziehungen zu Polen?
Offenbar ist in Kiew die Sorge groß, daß Melnyks Äußerungen die Beziehungen zu Polen belasten könnten. Denn das Außenministeriums erklärt: „Wir sind überzeugt, daß die Beziehungen zwischen der Ukraine und Polen gerade auf einem Höhepunkt befinden.“ Die Ukraine sei Polen dankbar für den „unvergleichliche Unterstützung im Kampf gegen die russische Aggression“. Es gebe nichts, was Kiew und Warschau spalte. Die beiden Länder seien sich einig, daß es nötig sei, die Einigkeit zu wahren im Angesicht gemeinsamer Herausforderungen.
In der Ukraine sind seit 2014 hunderte Straßen nach Bandera und seinen Gefolgsleuten benannt wurden. Er gilt heute als Ikone der Unabhängigkeitsbewegung, weil er versuchte, den Krieg zwischen der Sowjetunion und Deutschland für eine eigenständige Ukraine zu nutzen. 1959 wurde Bandera in München vom sowjetischen Geheimdienst ermordet. (fh)