TRIPOLIS. Die Vorsitzende des Entwicklungsausschußes im Bundestag, Dagmar Wöhrl (CSU), hat davor gewarnt, eine halbe Million Flüchtlinge wolle von der Libyschen Mittelmeerküste aus nach Europa übersetzen. Schlepper und Menschenhändler hätten das politisch labile Libyen als „nächsten Schlüsselstaat bei der Fluchtbewegung“ bereits im Visier, sagte sie dem Bayernkurier.
„Die Schlepper reiben sich schon die Hände, aber das müssen wir unterbinden“, sagte die CSU-Politikerin. Nach dem Abkommen der EU mit der Türkei über die Rücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland komme die Route über die Ägäis für die meisten Einwanderer kaum noch in Frage. Zudem breite sich der Islamische Staat aus. Nach dem Sturz des Gaddafi-Regime war in dem islamisch geprägten Land ein Machtvakuum entstanden.
Verlorene Generation muß verhindert werden
Der Dreh- und Angelpunkt für die Bekämpfung der Fluchtursachen sei eine stabile und allseits anerkannte Einheitsregierung für Libyen, denn entwicklungspolitische Hilfe brauche Sicherheit im Land. Die von den Vereinten Nationen geformte Regierung könne ihre Arbeit aber noch immer nicht aufnehmen, „weil man sich in Libyen noch nicht von allen Seiten auf eine abschließende Zustimmung für die Regierung verständigen konnte“, kritisierte Wöhrl.
In dem von gewaltsamen Auseinandersetzungen geprägten Land sind über 2,4 Millionen Menschen beziehungsweise 35 Prozent der Bevölkerung auf internationale Hilfe angewiesen. Unter den 430.000 Binnenvertriebenen litten vor allem die Kinder besonders, mahnte Wöhrl. Wenn allein in Bengasi mehr als zwei Drittel der Schulen nicht mehr öffneten, ziehe man in Libyen eine verloren Generation wie in Syrien heran. Die gelte es unter allen Umständen zu verhindern.
Die Bundeswehr plane, in Libyen bei einer Ausbildungs- und Stabilisierungsmission zu helfen. „Besonders der Aufbau und die Ausbildung einer libyschen Armee werden wichtig sein, damit die Regierung Libyens im ganzen Land für Sicherheit sorgen kann und dem IS die Grundlage entzogen wird, von libyschem Territorium aus zu agieren“, forderte Wöhrl. Aber auch die um drei Viertel auf rund 350.000 Barrel am Tag gefallene Ölförderung müsse wieder voll in Gang kommen. (mv)