MOSKAU. Die amerikanische Ratingagentur Standard & Poor’s hat Rußlands Kreditwürdigkeit von der Note BBB- auf BB+ herabgestuft. Damit bewertet erstmals seit Ausbruch der jüngsten Wirtschaftskrise eine der drei großen Ratingagenturen russische Staatsanleihen als sogenannte Ramschware. Mit der Herabstufung ist es für den russischen Staat deutlich kostspieliger geworden, sich mit neuen Krediten zu versorgen. Auch besitzen Investoren häufig Verträge, die in diesem Fall eine Zinserhöhung vorsehen.
Wie das Handelsblatt berichtet, rutschte der Rubel nach der Herabstufung um rund sechs Prozent ab. Rußlands Finanzminister Anton Siluanow kritisierte die Entscheidung als „übertrieben pessimistisch“. Die beiden Hauptkonkurrenten von S&P, die Ratingagenturen Fitch und Moody’s, bewerten Rußland laut Welt derzeit noch eine Stufe über Ramschniveau. Allerdings sehen beide wie S&P einen negativen Trend. Sollte eine der beiden Agenturen Rußland gleichfalls herabstufen, würde dies bei Großinvestoren automatisch Massenverkäufe russischer Staatsanleihen auslösen.
Rußland will Gas nicht mehr über die Ukraine liefern
Vorwürfe Rußlands, die Herabstufung sei politisch motiviert, wies der Leiter der Kreditanalyse von S&P zurück. „Wir sind bei unseren Wachstumsprognosen optimistischer als die Regierung und die Notenbank selber“, sagte Moritz Kraemer der Finanzagentur Bloomberg. „Die Geldpolitik hat ihre Flexibilität verloren, und die finanziellen Puffer haben dramatisch abgenommen“, heißt es in dem Bericht von S&P. „Sie sind inzwischen auf ein bedenkliches Niveau zusammengeschmolzen.“ Der Wert des russischen Staatsschatzes sei demnach innerhalb eines Jahres von 498 auf 379 Milliarden Dollar gesunken.
Neben den amerikanischen und europäischen Sanktionen setzt auch der niedrige Erdölpreis dem rohstoffreichen Land zu. Im Januar hat Gazprom-Chef Alexej Miller die Europäische Union darüber informiert, ab dem Jahr 2020 ihr Gas nicht länger über die Ukraine, sondern über die Türkei nach Europa zu liefern. „Andere Varianten sind nicht mehr möglich“, sagte Miller laut Welt. „Unsere europäischen Partner sind darüber in Kenntnis gesetzt, und ihre Aufgabe ist es jetzt, die nötige Transportinfrastruktur von der türkisch-griechischen Grenze zu errichten.“
Der russische Präsident Wladimir Putin warnte anläßlich des 70. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, „die Gefahr eines Strebens nach Weltherrschaft“ zeige sich „mit voller Wucht in der Ostukraine, wo Zivilisten kaltblütig erschossen werden“. Putin forderte, man solle gemeinsam „das Recht von Staaten auf ihren eigenen Weg der Entwicklung verteidigen“. Anders als in den Jahren zuvor, war Putin nicht zur Gedenkfeier nach Auschwitz eingeladen worden. (FA)