Jeder, der sich vor diesen Zug stellt, wird von ihm überrollt“, triumphierte der schwarze Abgeordnete des Repräsentantenhauses von South Carolina, Leon Howard. Zuvor hatte die Gouverneurin des US-Bundesstaates, die Republikanerin Nikki Haley, ihre Absicht bekanntgegeben, die Kriegsflagge der Konföderierten von allen Regierungsgebäuden zu entfernen. Sie sei ein „tief verletzendes Symbol einer brutalen und unterdrückerischen Vergangenheit“.
Nach dem Massaker des weißen Rassisten Dylann Roof in einer von Schwarzen besuchten Kirche in Charleston ist der Druck auf konservative Südstaatenpolitiker enorm. „Holt die Flagge runter“, skandierten mehrheitlich schwarze Demonstranten in den Tagen nach Charleston. Wie Howard sehen sie ihre Stunde gekommen, das schon lange verhaßte Symbol ein für allemal ins Museum zu verbannen, nachdem Bilder des Attentäters im Internet aufgetaucht waren, auf denen er mit der Südstaatenfahne posiert hatte.
Flaggen-Gegner mobilisieren
Haley ist seit Januar 2011 Gouverneurin von South Carolina. Kurz vor ihrer Wiederwahl im Oktober 2014 verteidigte sie die Fahne und beteuerte, keinerlei Absicht zu haben, diese zu entfernen. Einen noch schnelleren Sinneswandel hatte der Präsidentschaftsbewerber und Senator des Bundesstaates, Lindsey Graham. Zwei Tage nach der Bluttat diktierte er den Journalisten in die Blöcke: „Die Flagge ist ein Teil unserer Identität.“ Drei Tage darauf hörte sich sein Standpunkt so an: „Nach dem tragischen, haßerfüllten Anschlag ist es nur angemessen, daß wir jetzt ein für allemal die Sache mit der Flagge aus der Welt schaffen.“
Schnell zogen andere Staaten nach. Alabama kündigte an, alle Konföderiertenflaggen einzuholen. Der Gouverneur von Virginia, Terry McAuliffe, versprach, der Staat werde künftig keine Nummernschilder mehr herausgeben, auf denen die Flagge abgebildet ist. Noch bemerkenswerter sind die Wortmeldungen aus Mississippi. Dort nannte der Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner Philip Gunn, die Fahne einen „Stein des Anstoßes“, der entfernt werden müsse. Mississippi ist der einzige Staat, der das Andreas-Kreuz mit den 13 Sternen in seiner Landesflagge führt. 2001 hatten sich in einem Referendum 64 Prozent der Mississippians für dessen Erhalt ausgesprochen.
Sklaverei spielte im Bürgerkrieg kaum eine Rolle
Aber was macht die Flagge zu einem Stein des Anstoßes? Wahr ist: Immer wieder haben weiße Rassisten wie Roof oder auch der Ku-Klux-Klan die Fahne mißbraucht. Ihr historischer Ursprung ist hingegen weit weniger kontrovers: Beim „Kreuz des Südens“ handelt es sich um die Kriegsflagge der Sezessionisten. Auf Sklavenschiffen wehte sie nie, zumal der internationale Handel mit Sklaven zu diesem Zeitpunkt bereits zum Erliegen gekommen war.
Häufig liegt dem Vorwurf, die Flagge sei ein rassistisches Symbol, ein falsches Verständnis des amerikanischen Bürgerkriegs (1861–1865) zugrunde. Bei diesem ging es zu Beginn eben nicht in erster Linie um Sklaverei. Vielmehr war es die Erhöhung der Zölle durch die Zentralregierung, die den Südstaaten den Handel mit Europa erschwert hätte, was für die Sezessionisten nach Jahren des Unmuts über eine sich immer diktatorischer gebärdende Regierung in Washington das Faß zum Überlaufen brachte.
Erst mit der Emanzipations-Proklamation von 1863 mündete der Krieg in eine Auseinandersetzung um die Sklavenfrage. Aber auch der damalige Nordstaatenpräsident Abraham Lincoln war nach heutigen Maßstäben ein Rassist, wandte er sich doch mehrfach „gegen eine Vermischung der schwarzen und der weißen Rasse“ und trat für die Deportation der Neger nach Afrika ein.
Teil des kulturellen Erbes
Für die meisten Südstaatler ist die Fahne heute kein Symbol für weiße Überlegenheitsansprüche, sondern ein Teil des kulturellen Erbes. Diese Bedeutung hatte sie im Süden für Republikaner wie Demokraten lange Zeit gleichermaßen. 1987 unterschrieb der damalige Gouverneur von Arkansas, Bill Clinton, ein Gesetz, mit dem das Andenken der Konföderierten durch einen Stern in der Nationalflagge geehrt werden sollte.
Bereits im Jahr 2000 tobte in South Carolina eine heftige Debatte über die Fahne, die auch Auswirkungen auf die damaligen Vorwahlen der Republikaner hatte. Mit einem leidenschaftlichen Bekenntnis zum „Kreuz des Südens“ ebnete der Texaner George W. Bush im Palmetto-Staat seinen Weg ins Weiße Haus.
Senat und Repräsentantenhaus South Carolinas einigten sich damals auf einen Kompromiß. Sie entfernten die Flagge von der Kuppel des „Statehouse“ und plazierten sie dort an einer weniger prominenten Stelle. Die Vereinbarung sah jedoch vor, daß sie in Zukunft nur mit einer Zweidrittelmehrheit beider Kammern entfernt werden darf.
„Stalinistische Säuberung“
Diese Regelung gilt auch für ein Absenken der Flagge auf Halbmast. Als nach dem Kirchenmassaker die US-Flagge auf Halbmast gesenkt wurde, wehte das Konföderiertenbanner wie zum Trotz stolz auf Vollmast. Haley droht nun Widerstand aus den eigenen Reihen. Staatssenator Lee Bright, in dessen Büro eine Konföderiertenfahne hängt, nannte die Pläne seiner Gouverneurin eine „stalinistische Säuberung“. Säubern will auch der Einzelhandelskonzern Walmart, der in Zukunft keine Südstaatenflaggen mehr verkaufen wird. Bei den Che-Guevara-Postern, die Walmart weiterhin feilbietet, scheinen den Konzern hingegen keine Gewissensbisse zu plagen.
Die Amerikaner aus Dixieland reagieren auf ihre Art: Konföderierten-Accessoires finden reißenden Absatz. Nach dem Boykott von Walmart, dem sich weitere Großhändler wie Amazon angeschlossen haben, profitieren kleinere Händler, deren Webseiten oft unter der hohen Nachfrage zusammenbrechen. Und in Online-Foren geht selbst unter Gegnern der Konföderiertenflagge die Angst um. Schließlich, so schreiben manche, wird auch das Sternenbanner nach Irak und Guantánamo von vielen als ein anstößiges Symbol empfunden.
Kriegsherren der Politischen Korrektheit
Der von Howard beschworene Zug rast unterdessen im Eiltempo weiter. Schon fordert der Republikanerführer im US-Senat, Mitch McConnell, die Statue des Südstaatenpräsidenten Jefferson Davis vor dem „Statehouse“ seines Heimatstaates Kentucky zu entfernen. Am Weihnachtstag des Jahres 1868 begnadigte US-Präsident Andrew Johnson, Nachfolger des ermordeten Lincoln, den zwischenzeitlich wegen Hochverrats inhaftierten Davis und gestattete ihm die Rückkehr in ein bürgerliches Leben – eine menschliche Größe, die man bei den heutigen Kriegsherren der Politischen Korrektheit vergeblich sucht.