KÖLN. Seit zwei Jahren machen die Gebetsrufe eines Muezzins die religiöse Vielfalt in Köln sichtbar. Das ist zumindest die Erkenntnis einer zweijährigen Pilotphase. Diese lief so gut, daß der Muezzin der Ditib-Moschee in Köln-Ehrenfeld künftig auch zum Freitagsgebet rufen darf. Dabei stieß das Projekt anfangs auf heftigen Gegenwind. Anrainer sorgten sich um Lärmbelästigung, weshalb die Moscheegemeinde sich dazu verpflichtete, eine festgelegte Lautstärkegrenze von 60 Dezibel einzuhalten. Zudem müssen Anwohner mit Flugblättern über den Muezzinruf informiert werden.
Doch in den Augen von Experten geht die Debatte weit über Lärmbelästigung hinaus. So warf vor zwei Jahren der Islamismus- und Integrationsexperte Ahmad Mansour der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) Naivität wegen ihrer Erlaubnis des öffentlichen Muezzin-Rufs vor. Diesen nur in den Kontext der Religionsfreiheit zu stellen, sei „sträflich naiv“, handle es sich doch in Wahrheit vielmehr um eine „Machtdemonstration des politischen Islam“.
Es geht um die Botschaft des Muezzin von Köln
Auch der ehemalige Präsident des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs, Michael Bertrams, kritisierte das Modellprojekt zur Einführung des Muezzinrufes in Köln. Er wertete die Entscheidung als einen „politischen Triumph ersten Ranges“ für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Schließlich ginge es nicht einfach darum, daß der Muezzin in Köln rufen dürfe, sondern wozu er aufrufe: „Konkret: Was geschieht in den Moscheegemeinden? Welche Botschaften werden dort in den Predigten beim Freitagsgebet verkündet?“, führte der Verfassungsrechtler im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger damals aus.
Das Fazit des Integrationsrats der Domstadt geht auf all diese Bedenken nicht ein: Die Moscheegemeinde habe über den Pilotzeitraum alle Auflagen eingehalten, und die kritischen Stimmen seien schnell verstummt. „Religiöse Vielfalt in Köln kann konfliktfrei gelebt werden“, freut man sich. (rr)