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Von der Anklagebank auf die Intensivstation

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Ja kruzitürkn.“ Sichtlich verärgert nahm Josef S. die Entscheidung des Gerichts zur Kenntnis, den für die Plädoyers der Verteidigung vorgesehenen Termin abzusagen. Das mag auf den ersten Blick überraschen, denn der ehemalige Wehrmachtsoffizier, dem die Beteiligung an einem Massaker in der Toskana im Juni 1944 zur Last gelegt wird, wurde erst am Nachmittag des Vortages aus einer Münchner Klinik entlassen. Und zwar nach einem Schlaganfall.

Der frühere Gebirgsjäger hatte mehrere Tage auf der Intensivstation verbracht. Dennoch wollte er unbedingt erscheinen, um das Verfahren endlich zu einem Abschluß zu bringen. Der Angeklagte ist von seiner Unschuld und einem Freispruch überzeugt. Mehrmals erschien der 90jährige schon unter Schmerzen, weil er den Prozeß nicht in die Länge ziehen möchte. Diesmal machte ihm das Gericht allerdings einen Strich durch die Rechnung. Es wollte die Verantwortung nicht übernehmen und verschob angesichts des labilen Gesundheitszustandes des Angeklagten die Plädoyers der drei Verteidiger auf Freitag. An diesem Tag hätte eigentlich das Urteil gesprochen werden sollen. Möglicher Termin dafür ist nun der 15. Juli.

Das Ende ist also trotz der Verlegung in Sicht – nach bislang 36 Verhandlungstagen sowie dem Plädoyer von Nebenklägerin Gabriele Heinecke und Staatsanwalt Hans-Joachim Lutz. Letzterer forderte wegen „Mord in 14 Fällen und einem versuchten Mord“ eine lebenslange Freiheitsstrafe. Zudem solle der Angeklagte die Prozeßkosten tragen, die mittlerweile im sechsstelligen Bereich liegen dürften. In seinem Plädoyer räumte Lutz ein, daß es weder Dokumente noch Zeugen für den Nachweis eines direkten Befehls gebe, den der Angeklagte erteilt haben soll. Der Staatsanwalt sei aber davon überzeugt, daß dieser existiert habe und S. in die Befehlskette eingebunden gewesen sei. „Eine absolute Gewißheit ist nicht erforderlich. Es reicht ein ausreichendes Maß an Sicherheit. Und dieses Maß liegt hier vor“, sagte Lutz, der in seiner Beweiswürdigung sehr einseitig vorging.

Abweichungen in der Bandenlagenkarte der Wehrmacht in Ort, Datum und Anzahl der Opfer erklärte er mit „Übermittlungsschwierigkeiten“. Drei den Angeklagten entlastende Zeugen wurden als nicht glaubwürdig eingestuft. Zu der Aussage eines ehemaligen italienischen Partisanen, der angegeben hatte, durch sein Fernglas Soldaten mit schwarzen Uniformen gesehen zu haben, sagte Lutz: „Dieser Zeuge hat sich getäuscht.“

Dem einzigen Überlebenden des Massakers und zugleich einzigen Augenzeugen, dem damals 15 Jahre alten Gino M., unterstellte der Staatsanwalt einen „Erinnerungsfehler“. Gino M. hatte ausgesagt, der vor Ort befehlende Soldat habe eine Schirmmütze getragen. Daß ein Offizier der Gebirgsjäger im Feld mit einer Schirmmütze auftrat, hält Militärhistoriker Peter Lieb für unwahrscheinlich. Ebenfalls wollte Lutz einem befragten Wehrmachtssoldaten nicht folgen, der andere sich in der Nähe befindliche Einheiten erwähnte. „Das war der einzige Zeuge, der davon berichtet hat“, relativierte der Staatsanwalt, der auch dem Angeklagten keinen Glauben schenken wollte. Der hatte in einer der Vernehmungen gegenüber der Kripo erklärt, er habe mutmaßliche Partisanen an die Feldgendarmerie übergeben. „Die Feldgendarmerie war hier nirgends vor Ort“, entgegnete Lutz.

Ein Schuldspruch hätte große Bedeutung für die Nebenklage, welche die Angehörigen der Opfer vertritt. Jene wollen dann Zivilklage gegen Josef S. einreichen. Inzwischen sind übrigens Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, dpa und der Bayerische Rundfunk dazu übergegangen, den vollständigen Namen des Angeklagten zu verwenden. Die Zeit begründet das ungewöhnliche Vorgehen folgendermaßen: „Da andere Medien den Angeklagten mit vollem Namen nennen (und er in Italien bereits rechtskräftig verurteilt wurde), haben wir uns entschlossen, ihn jetzt auch durchgehend auszuschreiben.“

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