Als Erika Steinbach im Jahr 2000 auszog, um für Unterstützung für ihre Idee eines Zentrums gegen Vertreibungen zu werben, ahnte sie wohl, daß sie einen langen und steinigen Weg vor sich haben würde. Wahrscheinlich wußte sie auch, daß sie diese Strecke nicht ohne Verletzungen bestehen würde. Sie suchte sich daher ganz bewußt Weggefährten, die weit weniger angreifbar waren als sie, die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV). Nicht zum Selbstschutz, sondern um die Idee des Zentrums zu schützen. Dieses soll ein letztes Mal den schon seit Jahrzehnten schwindenden gesellschaftlichen Einfluß der Vertriebenen sammeln, bevor dieser gänzlich erlischt.
Der 2005 verstorbene SPD-Politiker Peter Glotz war dabei der wichtigste Mitstreiter an Steinbachs Seite. Aber auch der Historiker Michael Wolffsohn, der ungarische Schriftsteller György Konrad und der Publizist Ralph Giordano machten und machen es den zahlreichen Gegnern des Zentrums schwer, gegen die Idee einer Gedenkstätte für die deutschen Heimatvertriebenen mit voller Wucht anzustürmen. Die Anfeindungen gegen das Zentrum treffen statt dessen mit voller Wucht die Person Steinbachs, die diese um der Sache willen klaglos erträgt.
Trotz aller Rückschläge ist diese Taktik bislang aufgegangen. Das hat auch die in den vergangenen Tagen tobende Auseinandersetzung zwischen Steinbach und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) um den bislang unbesetzten dritten Sitz des BdV im Beirat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ gezeigt. Die am Dienstag bekanntgewordene neuerliche Vertagung der Entscheidung, ob Steinbach den von ihr beanspruchten Platz einnehmen darf, wird sie mit Fassung tragen. Sie geht aus dieser von Westerwelle ausgelösten Affäre gestärkt hervor: Der Vertriebenverband hält an der Nominierung seiner Präsidentin für das Amt fest und hat der Bundesregierung den Ball zugespielt. Diese wurde am Dienstag vom Präsidium des Verbandes aufgefordert, den Weg zu ebnen „für die Umsetzung des selbstbestimmten Nominierungsrechts des BdV für die komplette Besetzung des Stiftungsrates“. Dies sei ein Demokratietest für das Land.
Westerwelle ist mit seinem Vorhaben gescheitert, Steinbach aus dem Spiel zu drängen, um in Polen zu punkten. „Bei allem Respekt vor den persönlichen Plänen, aber es geht erstmal um unser Land, und es geht erstmal um die Beziehungen zwischen unseren Ländern“, hatte Westerwelle mit Blick auf Steinbach und das Verhältnis zu Polen gesagt und die BdV-Präsidentin zum Verzicht gedrängt.
Steinbach verbat sich daraufhin in der Bild-Zeitung eine Einflußnahme der FDP auf die Entscheidung ihres Verbandes. „So würde man weder mit den Rechten von Kirchen, Gewerkschaften oder anderen Opferverbänden umgehen. Deshalb läßt sich der BdV das auch nicht gefallen.“ Auf dem Rücken der Opfer lasse sich ein friedliches Miteinander nicht gewinnen. Steinbach warnte Westerwelle davor, „Vertrauen bei Nachbarländern durch Opfergaben eigener Bürger oder Organisationen zu erkaufen“.
Westerwelle hatte sich da schon längst in eine Alles-oder-Nichts-Position manövriert, die bei politischen Beobachtern ernste Zweifel an seinem diplomatischen Geschick geweckt hat. Ihm ging es, so scheint es, in erster Linie gar nicht um die Sache, sondern darum, einen ersten (außenpolitischen) Erfolg zu erzielen. Hätte er die Nominierung der BdV-Präsidentin wirklich verhindern wollen, hätte er einen eleganteren und vor allem diplomatischeren Weg wählen können. So aber kann Steinbach vorerst auf ihrem steinigen Weg weitergehen.