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Die Angst der Wurzelzwerge vor der Oppositionsbank

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Die Angst der Wurzelzwerge vor der Oppositionsbank

 

Die Angst der Wurzelzwerge vor der Oppositionsbank

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Frißt die Revolution ihre Kinder? Analysiert man die Ausgangslage der Partei Bündnis 90/Die Grünen, dann kann man zu dieser Erkenntnis kommen. Knapp 30 Jahre nach ihrer Gründung scheint die Partei den Zenit ihres politischen Wirkens überschritten zu haben. Dabei könnte der Partei, die von unzähligen Bürgeninitiativen, ökofundamentalistischen Gruppen, aber auch konservativen Freigeistern und anarchistischen Extremisten gegründet wurde, ihr Minimalkonsens zu Verhängnis werden.

Die Grünen legen seit ihrer Gründung Wert auf gelebte Basisdemokratie. Die mußte beispielsweise der ehemalige Außenminister Joschka Fischer erfahren, als er vor zehn Jahren während eines Bundesparteitags mit einem Farbbeutel beworfen wurde. Und eigentlich hätte die Parteiführung vorgewarnt sein müssen, spätestens nachdem ein beinahe legendär gewordener Streit um die Einführung eines neuen Logos die Partei vor zwei Jahren wochenlang lähmte. Doch vor dem Bundesparteitag am Wochenende in Berlin hat es die neue Doppelspitze um Claudia Roth und Cem Özdemir vermieden, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Zunächst ging ihr Plan gründlich schief, mit den Spitzenkandidaten Renate Künast und Jürgen Trittin und einer Koalitionsaussage zugunsten von SPD und FDP in den Wahlkampf zu ziehen. Dies lag vor allem daran, daß gerade FDP-Chef Guido Westerwelle der Grünen-Basis als neoliberales Schreckgespenst geht. Und, so sagten sich viele Parteigänger, wie will ein Öko-Fundamentalist mit kommunistischer Vergangenheit wie Ex-Minister Jürgen Trittin glaubhaft mit dem Marktliberalen und Atomkraftbefürworter Westerwelle regieren? Daß die Parteiführung dennoch auf diesen Plan kam, zeigt das Dilemma der Grünen.

Sofern die Revolution die Kinder nicht gefressen hat, sind sie doch erwachsen geworden. Aus dem akademischen Demo-Nachwuchs von 1980 sind Rechtsanwälte, Ärzte und Unternehmer mit Häusern in feinen Gegenden geworden. Und wenn die Partei wie in Hamburg mittlerweile zumindest auf Landesebene mit der Union regieren kann, so die Strategie des Führungsduos, dann sollte einer Ampelkoalition nichts im Wege stehen. Dabei hatte die Partei stets das Problem, daß sie sich in ihren Regierungskoalitionen unter Wert verkauft hat. Mit Außenminister Fischer stellte sie zwar einst den populärsten Politiker der Republik, auf den Feldern mit Kernkompetenz mußte sie jedoch Federn lassen.

Dementsprechend hilflos muß die Partei mit ansehen, daß die FDP, die längst auf Platz vier der innerdeutschen Parteienrangliste verdrängt schien, nun mir Siebenmeilenstiefeln zur Macht drängt. Die Liberalen sind in fünf Landesregierungen vertreten und fehlen nur in drei Parlamenten, die Grünen sind dagegen nur in zwei Koalitionen zu finden und in fünf Ländern ohne parlamentarische Präsenz. Während die FDP immerhin solide Aussichten hat, mit ihrem Wunschpartner CDU zu regieren, und zudem von SPD und Union für Dreier-Konstellationen umworben wird, deutet sich für die Bündnis-Grünen eine weitere Legislaturperiode auf der Oppositionsbank im Reichstag an.

Für eine Neuauflage des rot-grünen Bündnisses fehlen derzeit rund 15 Prozent der Stimmen, eine Aufholjagd gilt als ausgeschlossen. Eine strategische Option wäre eine Koalition mit Lafontaines Linkspartei und dessen Ex-Formation. Dies hat die SPD-Führung allerdings kategorisch ausgeschlossen, und selbst bei den Grünen löst der Gedanke kein Wohlgefallen aus. Zwar war die Partei linken Lieblingsthemen wie Multikultur, Integration und Soziale Gerechtigkeit stets wohlgesonnen, allerdings gilt das Wahlprogramm der ehemaligen DDR-Staatspartei als nur sehr schwer kompatibel mit den Vorstellungen in den Grünen-Hochburgen der Villenviertel. Außerdem stehen einem rot-rot-grünen Bündnis schwere inhaltliche Differenzen im Weg. Die EU-Verweigerung der Linken zählt ebenso dazu wie ökologische Themen wie Bergbau oder Atomkraft.

Aus dieser strategischen Zwickmühle heraus hat die Bundesspitze Roth/Özdemir ins Auge gefaßt, dem Spitzenduo Künast/Trittin ein Wahlkampfteam zur Seite zu stellen, welches die Partei quasi einer Wundertüte gleich für jede Wählergruppe irgendwie attraktiv machen sollte. Schien die Berufung der Parlamentarier Fritz Kuhn und Bärbel Höhn noch sinnvoll, so war die Kür von Katrin Göring-Eckardt bereits zuviel des Guten. Die Thüringerin sollte die Partei auf ihrem Problemterrain Mitteldeutschland wählbar machen, zudem gilt sie als recht wertebewußt. Der linke Parteiflügel konterte mit dem Wunsch, die Geschäftsführerin Stefanie Lemke ins Team zu berufen. Als dann noch die Grüne Jugend die erst 27 Jahre alte Nicole Maisch dabeihaben wollte, hatte plötzlich Bärbel Höhn keine Lust mehr.  Eine derart große „Spitzenmannschaft“ würde ihre eigene Kompetenz konterkarieren.

Schon machte in der Partei das böse Wort der Wurzelzwerge die Runde. Nun hat die Parteiführung erneut die Reißleine gezogen. Neben den Spitzenkandidaten wird es keine weiteren Berufungen geben. Damit ist man so schlau wie zuvor.

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