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Das Gesetz der Serie

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Es ist, als säße Wolfgang Schäuble an einem Roulettetisch und hat das Gesetz der Serie gegen sich. Nach der Online-Durchsuchung und dem Scannen von Nummernschildern kam jetzt der dritte Richterspruch aus Karlsruhe, der dem Innenminister einen Strich durch die Rechnung macht: Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung kassiert. Die Richter urteilten: „In dem Verkehrsdatenabruf selbst liegt ein schwerwiegender und nicht mehr rückgängig zu machender Eingriff in das Grundrecht. Ein solcher Datenabruf ermöglicht es, weitreichende Erkenntnisse über das Kommunikationsverhalten und die sozialen Kontakte des Betroffenen zu erlangen.“ 30.000 Bürger hatten Verfassungsbeschwerde gegen die Datensammelwut eingelegt. Per Gesetz wollte die Regierung Telefongesellschaften und Internet­anbieter verpflichten, jedes Gespräch und jede Online-Aktivität zu speichern. Bei Anrufen wäre dies nicht der Inhalt, sondern Dauer, Zeit und die Nummer des Angerufenen beziehungsweise Anrufers. Für den Zeitraum von sechs Monaten sollten diese Daten staatlichen Stellen zur Verfügung gestellt werden. Die zur Schau gestellte Freude auf der Seite von Opposition und Bürgerrechtlern ist aber reichlich übertrieben. Das Gericht hat ja schließlich nicht das ganze Gesetz gekippt, sondern nur einen Teil davon. Die Daten dürfen nur dann nicht mehr an Strafverfolgungsbehörden herausgegeben werden, wenn es der Verfolgung weniger gravierender Delikte dient. Ansonsten bleibt alles so, wie es Schäuble und die Strategen im Innenministerium geplant haben. Zu den Hauptgegnern des Gesetzes gehören auch Journalisten, weil sie fürchten müssen, ihre geheimen Quellen zu verlieren. Es geht um fiktive Fälle wie diesen: Ein Beamter wendet sich an einen Journalisten, um ihm zu sagen, daß seine Behörde pfuscht oder daß sein Minister ein Gesetzesbrecher ist. Wenn der Journalist dann einen entsprechenden Artikel veröffentlicht, dann können staatliche Stellen sofort herausfinden, von wem er die Information hatte.
Sie müssen nur seine Telefonkontakte überprüfen. Zu abwegig? So ungefähr ist es im Falle der Cicero-Durchsuchung abgelaufen: Die Staatsanwaltschaft schnüffelt Journalisten aus, weil sie an die Informanten heranwill. Gleichzeitig wird die kritische Öffentlichkeit eingeschüchtert. Das geschieht auch durch die Vorratsdatenspeicherung. Auch die Rückrufaktion des Gesetzes zur Kennzeichenerfassung ist nur ein Teilerfolg für die Bürgerrechtler. Denn schon arbeitet das Justizministerium daran, die Mautdaten „zur Verbrechensbekämpfung“ verwenden zu können. Ganz schnell dürfte daraus eine flächendeckende Überwachung der Bürger werden. Wenn das „Scannen“ der Nummernschilder untersagt bleibt, sucht sich die Regierung andere Möglichkeiten zur Überwachung. Wirklich erfreulich war nur das Urteil zur Online-Durchsuchung. Ende Februar hatte das Verfassungsgericht das nord­rhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz gekippt, das die Ausspähung von privaten Computern ermöglichen sollte. Schäubles Düsseldorfer Amtskollegen Ingo Wolf (FDP) wurde ein vernichtendes Urteil ausgestellt. Die Richter betraten mit
ihrem Urteil Neuland, wie sie es nur selten tun. Sie schufen ein neues Recht, nämlich das auf ungestörte Computerprivatsphäre oder auch Computerrecht – die Umgangssprache wird erst noch einen passenden Begriff dafür finden müssen. Ein herber Schlag für den Liberalen Wolf, der dieses Gesetz auch gegen seine eigene Partei durchgeboxt hat. Jetzt mußte er sogar einen Abwahlantrag über sich ergehen lassen. Wolfgang Schäuble dagegen muß eine so heftige Reaktion nicht fürchten. Erstens hat er die Große Koalition meistens geschlossen hinter sich und keine wacklige FDP an seiner Seite. Zum anderen ist seine Salamitaktik, bei der er zwar jedesmal zurückgepfiffen wird, so erfolglos nicht. Immerhin kann er ja mit jedem neuen Gesetzesvorhaben auch einen Teilerfolg für sich verbuchen. So wird Bundesinnenminister Schäuble weiter seelenruhig Gesetze machen, die verfassungswidrige Eingriffe des Staates in das Leben der Bürger darstellen.

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