In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK), Stimme und Weg – Arbeit für den Frieden, wurden die Mitglieder überrascht von einer Stellungnahme des Vorsitzenden Reinhard Führer zur NPD. Darin kündigt der ehemalige CDU-Politiker, der bis 2001 Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses war, an, NPD-Mitglieder aus dem VDK auszuschließen. Begründung: „Ziele der NPD sind mit den besonderen Grundsätzen des Volksbundes unvereinbar“. Dabei, erläutert Führer, denke er an Versöhnung über den Gräbern sowie an Arbeit für den Frieden. Diese Versöhnung und diese Arbeit aber „setzen die Anerkennung geschichtlicher Tatsachen voraus. Nur wer dazu bereit ist, kann glaubwürdig die Hand zur Versöhnung reichen und erhoffen, daß sie angenommen wird.“ Die Distanzierung des Volksbundes geht also weit über eine Mitgliedschaft in der NPD hinaus; wer Mitglied in der Organisation werden will – oder bleiben möchte -, muß auch zunächst nicht näher definierte „geschichtliche Tatsachen“ anerkennen, wenn man nicht Gefahr laufen will, aus dem VDK ausgeschlossen zu werden. Wer vom Vorsitzenden hierzu näheres erfahren möchte, erhält als Antwort einen Schemabrief, der vom Pressereferenten unterschrieben ist. Darin wird erläutert, daß man als VDK-Mitglied „auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ stehen müsse, daß man „die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht verharmlosen und den Zweiten Weltkrieg als Angriffs- und Vernichtungskrieg einstufen (müsse), der vom Nazi-Regime entfacht wurde“. Und weiter heißt es: „Die Anerkennung der historischen Tatsachen ist die Voraussetzung für den aufrechten Dialog mit unseren ausländischen Nachbarn und führt zum angemessenen Gedenken aller Opfergruppen des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“ Die NPD habe nichts anderes im Sinn, als den Volksbund zu unterwandern, um ihn für ihre politischen Ziele zu mißbrauchen. Anlaß für das Durchgreifen des Vorstands ist die Tatsache, daß im Juni 2007 drei Landtagsabgeordnete der NPD aus Mecklenburg-Vorpommern dem Volksbund beigetreten waren. Der Landesvorstand des Volksbundes um den Vorsitzenden Lorenz Caffier (CDU), der gleichzeitig auch Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern ist, regte daraufhin beim Bundesvorstand den Ausschluß der Abgeordneten Stefan Köster, Tino Müller und Michael Andrejewski an. Der Volksbund handelte und schloß die Parlamentarier im Januar aus. Wer meine, „daß der Volksbund ein Verein sei, der das Heldengedenken wiederbelebt oder wiederbeleben will, der täuscht sich“, sagte Führer. Es ist nicht neu, daß der Volksbund, der sich seit fast 90 Jahren die Aufgabe stellt, die gefallenen deutschen Soldaten beider Weltkriege, die Opfer von Flucht, Vertreibung und Bombenkrieg und seit Ende des Zweiten Weltkrieges auch die Toten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu bergen und ihnen würdige Grabstätten zu verschaffen, mit der Politik in Konflikt kommt. Seit Jahren schon reitet der VDK auf der Welle der Friedensbewegung. Offenbar verspricht man sich davon eine größere Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Denn der Verband ist auf Spenden angewiesen: Bundesregierung und Bundesländer haben 2006 von den insgesamt 40,3 Millionen Euro Verbandsausgaben lediglich 4,2 Millionen (10,5 Prozent) beigesteuert. Die 162.000 Mitglieder des Volksbundes brachten hingegen sieben Millionen Euro auf, wobei der Bundesvorstand über das Schrumpfen der Mitgliederzahl in fast jeder Ausgabe der Verbandszeitschrift Klage führt. Die übrigen Mittel stammen aus Spenden, Nachlässen und Straßensammlungen. In den meisten anderen Ländern ist es übrigens selbstverständlich, daß der Staat für die Errichtung und Pflege der Kriegsgräber zuständig ist – Deutschland bildet eine Ausnahme. Hier hat der Staat dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als privatem Verein die Aufgabe übertragen. Zu glauben, daß man sich dem Staate geneigter macht, indem man sich der politischen Korrektheit beim „Kampf gegen Rechts“ anschließt, wie es offenbar der Vorstand des Volksbundes im Fall der drei NPD-Landtagsabgeordneten versuchte, dürfte eine Täuschung sein. Daß von den Mitgliedern des Volkbundes jetzt offenbar verlangt wird, sie müßten „geschichtliche Tatsachen“ anerkennen, wirft Fragen auf – zumal eine konkrete Definition dieser „Tatsachen“ noch aussteht. Darf etwa – um ein Beispiel zu nennen – nicht mehr die Ansicht vertreten werden, daß der Zweite Weltkrieg „viele Väter“ hatte? Will der Volksbund nun einen Kanon aufstellen von „geschichtlichen Tatsachen“, an die zu glauben die Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in seiner Organisation ist? Tatsächlich drängt sich der Verdacht auf, daß mit dem VDK-Vorsitzenden Reinhard Führer ein Parteipolitiker eine Organisation mißbraucht, deren Arbeit bisher hoch anzuerkennen war. Der Bundesvorstand, an dessen Zusammensetzung übrigens die Mitglieder weder direkt noch indirekt mitwirken können und dessen demokratische Legimitation anzuzweifeln daher angebracht ist, sollte die jüngst vom Vorsitzenden verkündete Entscheidung schleunigst überprüfen. Foto: Deutsche Kriegsgräber: In den meisten Ländern kümmert sich der Staat um die Grabstätten
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