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Von Widersachern umgeben

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Umgeben von politischen und innerparteilichen Gegnern: So kann man das Kabinett der ersten deutschen Kanzlerin Angela Merkel beschreiben. FDP-Chef Guido Westerwelle spottete bereits, neben den acht SPD-Ministern gebe es mit Horst Seehofer von der CSU einen neunten Sozialdemokraten am Tisch. Aber Scherz beiseite. Das erste Kabinett einer Großen Koalition seit 1969 besteht aus einer starken SPD-Mannschaft, einer selbstbewußten CSU-Truppe und einer schwachen CDU-Riege. Merkel mußte einen hohen Preis bezahlen, um die SPD in die Koalition und selbst die Kanzlerschaft zu bekommen. SPD-Chef Franz Müntefering sicherte seiner Partei bereits mit Blick auf den nächsten Wahlkampf Schlüsselressorts. Neben altbewährten Kräften holte Müntefering auch neue Gesichter in das Kabinett, um den Generationenwechsel bei den Sozialdemokraten einzuleiten. Zu den traditionellen Kräften zählt in erster Linie der SPD-Chef selbst, der das Amt des Arbeitsministers übernimmt und zugleich als Vize-Kanzler Stellvertreter von Merkel wird. Damit bleibt die SPD – jedenfalls aus eigener Sicht – Garant einer Politik für den kleinen Mann. Mit dem Finanzministerium besetzen die Sozialdemokraten ein weiteres Schlüsselressort. Der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück übernimmt diesen Posten von Hans Eichel. Diese Personalie ist für die SPD schon ein Stück Generationswechsel. Steinbrück gehört zu den auch bei anderen Parteien angesehenen Finanzexperten. Zusammen mit dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch erstellte er im Bundesrat eine Subventionsabbauliste. Über seinen neuen Job kann Steinbrück die Finanzen der gesamten Regierung kontrollieren. Viele Unionsabgeordnete fragten bereits, warum die CDU/CSU ausgerechnet auf dieses Ressort verzichtete. Im Gesundheits- und im Justizministerium sieht man mit Ulla Schmidt und Brigitte Zypries zwei bekannte SPD-Gesichter. Zu den Politikern der nächsten SPD-Generation zählt sicher Sigmar Gabriel, der das Umweltressort erhält. Der Niedersachse ist rhetorisch begabt und dürfte Aussichten haben, eines Tages Müntefering im Parteiamt zu beerben. Eher nach einer Verlegenheitslösung sieht der Name des neuen Außenministers aus. Frank Walter Steinmeier war bisher Chef des Kanzleramtes unter Gerhard Schröder, als dessen rechte Hand er galt. Daß er ins Außenamt einziehen darf, überraschte selbst altgediente Beobachter, die allesamt damit gerechnet hatten, daß Steinmeier mit seinem Chef Schröder aufs Altenteil wechseln würde. Im Ressort Entwicklungshilfe bleibt Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul im Amt. Der Name der hessischen Politikerin ist Symbol für den linken Flügel der Partei, der auf diese Weise bedient wurde. Ein weiterer Schachzug gelang der SPD mit der Berufung des bisherigen Leipziger Oberbürgermeisters Wolfgang Tiefensee. Der Kommunalpolitiker war schon früher für Ministerwürden in Berlin genannt worden. Damit demonstriert die SPD ihre Ost-Kompetenz, die mit Blick auf die in den neuen Ländern starke Linkspartei besonders wichtig ist. Merkel verkörpert nichts Östliches mehr Die CDU hat auf diesem Gebiet nichts entgegenzusetzen. Von der Not getrieben, holte sich die designierte Kanzlerin den sächsischen CDU-Innenminister Thomas de Maizière als Kanzleramtschef ins Kabinett. Er soll wohl der „Vorzeige-Ossi“ sein – dabei stammt de Maizière aus dem Westen. Merkel selbst verkörpert nichts Östliches mehr. Auf die Frage, ob die CDU-Chefin Ost-Kompetenz habe, antwortete ein hoher Funktionär aus den neuen Ländern einmal im kleinen Kreis: „Nicht einmal das.“ Merkel dirigierte daraufhin um: Ihren bisherigen Generalsekretär Volker Kauder stellt sie jetzt an die Spitze der Fraktion, nachdem de Maizière den Platz im Kanzleramt bekommt. Der als Fraktionsvorsitzender oder auch als Kanzleramtschef gehandelte Norbert Röttgen wird nun gar nichts mehr. Dies ist für Merkel problematisch, weil damit wieder ein nordrhein-westfälischer Politiker leer ausgeht. Der größte Landesverband der CDU ist schlecht weggekommen bei der Postenvergabe. Helmut Kohl wäre das nicht passiert. Dafür wurde die baden-württembergische CDU bevorzugt. Wolfgang Schäuble ist wieder Innenminister. An ihrem Vorgänger im Parteiamt kam Merkel nicht vorbei. Zu stark ist Schäubles Position in der CDU trotz der Spendenaffäre noch. Er wäre besser an der Fraktionsspitze aufgehoben gewesen. Doch Merkel traut Schäuble nicht. Die designierte Kanzlerin dürfte auch Franz Josef Jung, ihrem neuen Verteidigungsminister, nicht trauen. Jung ist zwar nicht vom Fach, aber hat den Ruf eines fähigen Politikers. Er kommt ins Kabinett, weil Hessens Ministerpräsident Roland Koch Anspruch auf einen Posten für einen Hessen erhob. Merkel konnte nur noch nicken. Vertrauen und Mißtrauen sind ohnehin zentrale Punkte im Leben der CDU-Chefin. Daher rücken mit Ursula von der Leyen (Familie) und Annette Schavan (Bildung) zwei Vertraute von Merkel in das Kabinett ein. Für die beiden Politikerinnen ging Merkel weitere Kompromisse ein. Einen Wirtschaftsminister Edmund Stoiber konnte sie genauso wenig verhindern wie Müntefering. Beide sind Vorsitzende eigenständiger Koalitionsparteien. Aber auch Horst Seehofer, der die gesundheitspolitischen Vorstellungen der CDU-Chefin monatelang bekämpfte, konnte sie nicht verhindern. Der 56 Jahre alte CDU-Rebell wird Landwirtschaftsminister. Der CSU-Chef will seine Partei wieder sozialer ausrichten. Dafür steht der Name Seehofer. Daß Merkel versucht haben soll, Glos an Stoiber vorbei zum Eintritt ins Kabinett zu bewegen, zeigt ihre Hilflosigkeit. Es kann schon jetzt vorausgesagt werden, daß in ihrem Kabinett zwei Kräfte nur auf eigene Rechnung arbeiten werden. Das sind die SPD und die CSU. Die SPD geht davon aus, daß es sich bei der Kanzlerschaft Merkel nur um eine Übergangszeit handelt und daß sie in vier oder weniger Jahren die Geschäfte wieder federführend übernehmen kann. Die CSU denkt nur an Bayern, will bei der Landtagswahl 2008 wieder an alte Erfolge im Freistaat anknüpfen. Zwischen diesen Mühlsteinen steht Merkel, die Deutschland zu neuen Ufern und in bessere Zeiten führen soll – falls sie nicht zerdrückt wird.

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