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Schröders Bubenstreich

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Je schneller wir uns dem 1. Juli nähern, um so intensiver werden Debatten und Fachkommentare über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Bundeskanzler Gerhard Schröders Wunsch nach vorgezogenen Neuwahlen über ein getürktes Misstrauensvotum. Dabei sind die Blicke ganz auf Bundespräsident Horst Köhler gerichtet. Er allein hat das Entscheidungsrecht über die vorzeitige Auflösung des Deutschen Bundestages. Und das soll vor allem rechtlichen Kriterien standhalten. Warum wird zu wenig gefragt, ob das überhaupt stimmt? Der Ausgangspunkt für diesen Vorgang war zunächst ein rein politischer: die Wahlniederlage der Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen. Das mag den Kanzler schmerzen. An der Handlungsfähigkeit seiner Regierung ändert es zunächst überhaupt nichts. Seine rot-grüne Koalition hat eine regierungsfähige Mehrheit im Parlament – und nichts signalisierte, daß diese gefährdet ist. Im Gegenteil. Schröders Beteuerung, an seiner Agenda 2010 festhalten zu wollen, stieß auf Zustimmung auch jener wenigen Nörgler in seinen Reihen, die daran lediglich ein paar Korrekturen wünschen. Auch an den Mehrheitsverhältnissen zwischen Bundestag und Bundesrat ändert sich nicht viel. Was er in Bundesrat und Vermittlungsausschuß nicht durchkriegt, muß er mit seiner Kanzlermehrheit im Bundestag durchsetzen. Das hat er bisher mit Erfolg praktiziert. Noch politischer wird es, wenn wir seinen Frühwahl-Zinnober kalkulieren. Gesetzt den Fall, er erhielte eine noch etwas bessere Koalitionsstärke im Bundestag als jetzt, was würde sich an der beschriebenen Grundkonstellation ändern? Allerdings sieht es danach absolut nicht aus. Das Kandidatengerangel mit Blick auf den Herbst läßt vermuten, daß das linkslastige Potential in seiner Fraktion eher größer wird als bisher – und daher sein Regieren schwieriger würde. Damit erweist sich sein Frühwahl-Manöver als Bubenstreich und seine Begründung dafür als politisch verlogen. Denn sie hatte ja gelautet – und daran halten Schröder und SPD-Chef Franz Müntefering nach wie vor fest -, sie sähen in der Agenda 2010 den einzig notwendigen Ausweg aus der deutschen Krise, fürchteten, dafür nicht mehr die ausreichende Mehrheit zu haben, und wollten deshalb ein neues Wählervotum einholen. Das Ganze ist politisch so verlogen wie verfassungsrechtlich bedenklich, daß es auch nicht mit den früheren vorgezogenen Wahlterminen unter dem SPD-Kanzler Willy Brandt im Jahr 1972 und Helmut Kohl (1983) verglichen werden kann. Bedenklich ist jedoch zugleich, daß sich die übrigen Parteien im Deutschen Bundestag widerstandslos auf diesen Bubenstreich eingelassen haben. Erklärbar – aber keinesfalls entschuldbar – ist das nur aus dem Machthunger der sich schon jetzt als Sieger Wähnenden, die Gunst der Stunde zu nutzen und so schnell wie möglich an die Futterkrippen der Staatsgewalt zu kommen. Politisch wie verfassungsrechtlich geboten wäre daher, der Kanzler setzte seine Politik wie bisher fort – oder er tritt zurück und gibt damit sein Scheitern zu. Dem Bundespräsidenten obläge daher eher eine politische als eine verfassungsrechtliche Entscheidung. Der Bundeskanzler sollte erst alle parlamentarischen Möglichkeiten ausschöpfen, die das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nennt, bevor er zur Neuwahl als wirklich letztem Mittel greift.

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