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Blühende Koalitions-Phantasien

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Die kurz vor der Bundestagswahl zu erkennenden Veränderungen in der politischen Stimmung in Deutschland haben die Koalitionsspekulationen wieder aufblühen lassen. Schwarz-Gelb erscheint nicht mehr sicher, eine Große Koalition rückt in den Bereich des Möglichen. Besonders in der CSU wird aber auch nicht ausgeschlossen, daß es nach dem 18. September zu einem Bündnis der sogenannten „fortschrittlichen Kräfte“, also SPD, Grünen und Linkspartei, kommen könnte – allen Schwüren der SPD zum Trotz, man werde nie ein Bündnis mit der mutierten PDS eingehen. Ende Mai sahen die Werte für Kanzlerkandidatin Angela Merkel noch sehr gut aus. Die Union notierte im ZDF-Politbarometer bei 45 bis 49 Prozent. Eine absolute Mehrheit, die zuletzt Konrad Adenauer 1957 erreichte, schien möglich zu sein. Doch von Juni bis September verschlechterte sich die Lage für die Union dramatisch. Zwar flüchtet sich CDU-Generalsekretär Volker Kauder noch in die Hoffnung, die Umfragen wiesen weiter eine Wechselstimmung aus. Doch beginnt im Berliner Adenauer-Haus bereits das Nachdenken über die Frage, was man machen könnte, wenn nur eine Minderheit der Wähler den Wechsel will und die Mehrheit eine der drei linken Parteien wählt. In diesem Fall ist damit zu rechnen, daß die Sozialdemokraten zunächst versuchen werden, Sondierungsgespräche mit der Linkspartei zu führen. Eine Koalition gilt als ausgeschlossen. Das Verhältnis zwischen Kanzler Gerhard Schröder und Linkspartei-Spitzenkandidat Oskar Lafontaine ist zerrüttet. Bei unklaren Mehrheitsverhältnissen könnten die Sozialdemokraten aber Schröder zurückziehen und einen anderen Kanzlerkandidaten präsentieren, den die Linkspartei mitwählen würde. Genannt werden Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit sowie die ehemaligen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück (Nordrhein-Westfalen) und Sigmar Gabriel (Niedersachsen). Eine SPD/Grünen-Minderheitsregierung würde nach dem Vorbild des „Magdeburger Modells“ gestaltet werden. In Sachsen-Anhalt hatte SPD-Ministerpräsident Reinhard Höppner von 1994 bis 2002 seine Regierung von der PDS tolerieren lassen. Zwar säße die Linkspartei nicht am Kabinettstisch, aber für wichtige Bundestagsabstimmungen müßten Mehrheiten organisiert werden. Für einen SPD-Kanzler wäre das zwar keine besonders angenehme Situation, aber er könnte bei Verweigerung der Linkspartei immer damit drohen, den Regierungsstab an die Oppositionsführerin Merkel abzugeben und in eine Große Koalition zu gehen. Reformmaßnahmen wären mit diesem Bündnis kaum noch möglich. Die Linkspartei lehnt Eingriffe in soziale Besitzstände komplett ab. Außerdem hätte diese Regierung einen von der Union beherrschten Bundesrat gegen sich. Eine Große Koalition wird dann wahrscheinlich, wenn SPD, Grüne und Linkspartei nur wenige Stimmen über der Kanzlermehrheit liegen. In diesem Fall, so die Einschätzungen in Berlin, wäre es zu riskant, ein Magdeburger Modell auf Bundesebene zu organisieren. Die SPD müßte notgedrungen der Union die Kanzlerschaft überlassen. Denn alle derzeitigen Umfragen zeigen, daß die Union stärkste Fraktion im Bundestag werden dürfte. Das große Plus einer Kanzlerin Merkel wäre die Mehrheit der Union im Bundesrat. Im Bundestag stünde sie aber ständig vor dem Problem, daß die Sozialdemokraten doch wieder aus der Koalition aussteigen und ein Bündnis aller Linksparteien versuchen könnten. Schmale inhaltliche Basis Auch die inhaltliche Basis einer Großen Koalition wäre eher schmal. Bei zentralen Themen wie der Senkung der Sozialbeiträge bestehen keine Übereinstimmungen. Die Union will die Mehrwertsteuer erhöhen, um die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung senken zu können. Die SPD lehnt diesen Weg strikt ab. Umgekehrt will die Union von der „Reichensteuer“ der SPD nichts wissen. Ähnlich sieht die Lage in der Gesundheitspolitik aus. Merkels Kopfpauschale und die SPD-Pläne einer Bürgerversicherung sind nicht vereinbar. Die Liste läßt sich problemlos mit allen Reformfeldern wie Renten- und Pflegeversicherung fortsetzen. Eine Große Koalition wäre die Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Die SPD würde ständig darauf bedacht sein, ihren linken Rand nicht an die Linkspartei zu verlieren, und sich allen Veränderungen verweigern.

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