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Vlaams Belang statt Vlaams Blok

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Die flämisch-nationalistische Partei Vlaams Blok hat sich am vergangenen Sonntag aufgelöst, um sich unmittelbar darauf unter dem Namen „Vlaams Belang“ („Flämische Sache“) neu zu gründen. Dieses Vorgehen war notwendig geworden, nachdem am 9. November das höchste belgische Gericht, der Kassationshof, ein Urteil eines Gerichts in Gent vom 21. April 2004 gegen drei Vlaams-Blok-Teilorganisationen bestätigt hatte. Der Kassationshof bescheinigte dem Vlaams Blok ebenfalls einen Verstoß gegen Anti-Rassismus-Gesetze durch einen „offenkundigen und systematischen Ansatz zur Diskriminierung“. Der rechtsnationale Vlaams Blok, der für die Unabhängigkeit Flanderns eintritt, muß daher 12.394,67 Euro Strafe bezahlen. Der Richterspruch bedeutete auch das Aus für die Parteifinanzierung, die im Königreich Belgien nur durch den Staat geleistet wird. Private Zuwendungen oder Firmenspenden sind anders als in Deutschland ausgeschlossen. Auch all jene, die von nun an den Vlaams Blok – in welcher Weise auch immer – unterstützt hätten, wären strafrechtlich zu belangen gewesen. Schon am Wochenende vor der Urteilsbestätigung hatte die Partei, der zudem eine Mithaftung für Äußerungen von Parteimitgliedern auferlegt worden ist, ihr Programm geändert, um weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. An diese Modifizierungen knüpft nun auch Vlaams Belang an. An den ideologischen Grundüberzeugungen wurde dabei nicht gerüttelt. Das bekräftigte auch der neu gewählte Parteivorsitzende Frank Vanhecke, der schon dem Vlaams Blok vorstand. Er konstatierte, daß man sich zwar einen neuen Namen habe geben müssen, daß aber Personal und Programm die gleichen bleiben würden (siehe Interview auf dieser Seite). Im Parteistatut bekennt sich Vlaams Belang, parteipolitischer Arm der flämischen Bewegung zu sein und an deren Zielen wie Selbstbestimmung, Abschaffung der belgischen Gebietskörperschaften und der Amnestie-Forderung für die Kollaborateure des Zweiten Weltkriegs festzuhalten. Der Staat, so heißt es dort, sei lediglich eine Struktur und qua Selbstbestimmungsrecht der Volksgemeinschaft untergeordnet. „Der Staat dient den Belangen des Volkes und nicht umgekehrt.“ Und so ist es nur konsequent, daß das Endziel aller politischen Bemühungen die Errichtung eines unabhängigen flämischen Staates mit der Hauptstadt Brüssel sein soll. Den Besonderheiten dieser Stadt Rechnung tragend, wird dabei auch ein Sprachenstatut für diese niederländisch-französischsprachige Region verlangt. Illegale und kriminelle Ausländer abschieben In der Ausländer- und Einwanderungspolitik schlägt die neue Partei einen nur wenig moderateren Ton an als zuvor. Ausländer, so heißt es, müßten die Gesetze des Landes respektieren und sich an Kultur, Normen und Werte, aber auch an die Lebensgewohnheiten der Europäer anpassen. Ausdrücklich werden hierbei die Trennung von Staat und Kirche, die Demokratie, das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Gleichberechtigung von Mann und Frau genannt. Wer dies nicht akzeptieren könne, solle „repatriiert“ werden. Illegale und kriminelle Ausländer sollten schnellstmöglich in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Das Wahlrecht müsse ausschließlich den eigenen Staatsbürgern vorbehalten bleiben. Das Kommunalwahlrecht für EU-Bürger wird nicht in Frage gestellt. Auch in der Familienpolitik widerspricht Vlaams Belang dem belgischen „Zeitgeist“ und propagiert ähnliche Ansichten, wie sie kürzlich den designierten italienischen EU-Kommissar Rocco Buttiglione das Amt gekostet haben: Der erste und wichtigste Kern des Zusammenlebens sei die traditionelle Familie, die aus der Eheschließung zwischen Frau und Mann hervorgehe. Dies müsse die Gesellschaft anerkennen und Familien mit Kindern Schutz bieten. Nur so könne dem im übrigen auch besorgniserregenden Bevölkerungsrückgang entgegengewirkt werden, so Vlaams Belang. Die Neuformation erfolgt trotz des Richterspruchs aus einer Position der Stärke. Eine Meinungsumfrage hatte im Oktober 2004 gezeigt, daß die Partei in Flandern derzeit mit mehr als jeder vierten Stimme rechnen könnte und damit die Konkurrenz komplett hinter sich ließe. Die zweitgrößte Stadt Antwerpen, mit mehr als 33 Prozent Stimmenanteil eine traditionelle Hochburg des Vlaams Blok, ist nur deshalb noch regierbar, weil sich alle anderen Parteien, von Christdemokraten bis zu den Grünen, wie gegensätzlich sie ansonsten auch sein mögen, zu einem Bündnis zusammengeschlossen haben. Das Verbot, eine Burka in der Öffentlichkeit zu tragen, das die Stadt Antwerpen diese Woche verhängt hat, gilt vielen als eine demonstrative Reaktion auf den Wahlerfolg des „rechten“ Vlaams Blok und dessen wachsende Zustimmung. Die städtische Polizei soll nun Frauen, die sich mit dem afghanischen Vollschleier von Kopf bis Fuß verhüllen, auf das „Vermummungsverbot in der Öffentlichkeit“ hinweisen. Im Wiederholungsfall kann nun sogar eine Geldbuße verhängt werden. Als im Sommer norditalienische Bürgermeister ähnliche Vorschriften erließen, gab es in der belgischen Presse noch hysterische Reaktionen über die „fremdenfeindlichen“ und „rassistischen“ Ideen der Lega-Nord-Politiker. Seit 1991, als der Vlaams Blok bei den Parlamentswahlen in Flandern erstmals über zehn Prozent errang, ging es mit der Partei ständig bergauf – obwohl oder gerade weil die Partei nicht nur den belgischen Staat insgesamt, sondern auch speziell dessen „liberale“ Einwanderungspolitik grundsätzlich ablehnt. Doch in den vergangenen Jahren war eine Regierungsbeteiligung des Vlaams Blok schon durch den cordon sanitaire, eine Art Selbstverpflichtung der etablierten Parteien und Medien, weder zusammenzuarbeiten noch positiv zu berichten, völlig ausgeschlossen. Dennoch stiegen die Stimmenanteile von Wahl zu Wahl. Viele Kommentatoren und Politiker konkurrierender Parteien hatten in den vergangenen Wochen und Tagen vermutet – und vielleicht sogar gehofft -, der Vlaams Blok könne die erzwungene Umbenennung und programmatische Erneuerung dazu nutzen, moderater und damit endlich salon- und koalitionsfähig zu werden. Der Erkenntnis, daß der cordon sanitaire seinen Zweck vollkommen verfehlt hat, folgt hier und da bereits die Forderung, es vielleicht doch mit Vlaams Belang zu versuchen. Noch lehnt Vanhecke jede Zusammenarbeit mit den Etablierten ab: „Ehrlich gesagt, ich habe mich noch nie so beleidigt gefühlt wie heute, wo einige uns unterstellen, Ambitionen zu hegen, ordentliche belgische Politiker zu werden.“ Inzwischen droht neues Ungemach. Im vergangenen Jahr hatte der Vlaams Blok rund 1,6 Millionen Euro an Parteienförderung erhalten – nach dem höchstrichterlichen Urteil droht nun deren Rückzahlung. Ob es dazu kommt, entscheidet demnächst das flämische Parlament. Foto: Kinder mit der Nationalfahne von Flandern: Derzeit können die Rechtsnationalen dort mit über 25 Prozent der Stimmen rechnen

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