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„Ich werde an dieser Farce nicht teilnehmen“

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„Ich werde an dieser Farce nicht teilnehmen“

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Wladimir Putin kann sich bereits heute als Sieger dieses Polittheaters voller Intrigen feiern. Der 51jährige Präsident ist sich seines Triumphs am 14. März so sicher, daß er an den bei verschiedenen Sendern veranstalteten Wahldebatten mit seinen Herausforderern nicht teilnehmen will: Was nutzt es, mit chancenlosen Gegnern zu diskutieren? Auch deren Programme haben in dieser Wahl ja kaum eine Bedeutung. Dennoch sind die Wahlversprechen von Putins inzwischen nur noch fünf Gegenkandidaten auf jeden Fall wert, ein-gehender angeschaut zu werden. Denn sie enthalten Antworten auf die Frage, warum diese Politiker überhaupt den auf sie zukommenden Ruf der politischen Sparringpartner in Kauf nehmen. Putins Mitbewerber lassen sich in drei Gruppen einteilen lassen. Zum ei-nen sind es die beiden „kreml-treuen“ Kandidaten Sergej Mironow und Oleg Malyschkin, auf der anderen Seite stehen die erklärten „Kreml-Gegner“ und unabhängigen Bewerber Irina Chakamada und Sergej Glasjew. Zwischen diesen beiden Polen sind der KP-Kan-didat Nikolai Charitonow und – bis zu seinem Kandidaturverzicht letzten Freitag – Iwan Rybkin einzuordnen. Die „Seitenpferde“ Mironow und Malyschkin wären in diesem Rennen ohne ihr Leitpferd Putin kaum vorstell-bar. Der 51jährige Vorsitzende des Fö-derationsrates (Bundesrat) Mironow macht aus seiner Begeisterung für den amtierenden Präsidenten und dessen Wahlprogramm kein Hehl. Putin, der in seiner ersten Amtszeit den Staat gestärkt und konsolidiert habe, nennt der Geophysiker „die Verkörperung der russischen Staatlichkeit“. Durch seine eigene Aufstellung zur Wahl will er dem „Volkshelden“ Putin beistehen und „mit diesem großen Mann in der ersten Reihe“ schreiten: „Wenn ein Führer in die Schlacht zieht, dem vertraut wird, darf er nicht alleingelassen werden. Jemand muß an seiner Seite stehen“, erklärte Mironow anläßlich seiner Kandidatenkür. Nach Mironows Ansicht liegt die Wurzel allen Übels in Rußland nicht beim Präsidenten, sondern bei der Re-gierung. Die politischen Reformen der Exekutive diffamiert er als fehlerhaft und änderungsbedürftig und vergißt in seinem Eifer, wer der eigentliche Urheber dieser Reformen ist. Mironows Wahlprogramm liest sich ansonsten wie eine Abschrift des Programms seines Idols Putin: Kampf gegen Korruption, Armut und das organisierte Verbrechen, innere und äußere Sicherheit, allgemeine Stabilität, Förderung von Wissenschaft und Familien – in der Wortwahl klingen manche Wahlkampfparolen von CSU oder SPD nicht viel anders. Der 52jährige Bergbauingenieur Malyschkin ist ein nahezu virtueller Kandidat der laut polternden, national-populistischen – aber im Endeffekt immer kreml-treuen – Liberaldemokrati-schen Partei (LDPR). Wohl um seinem Gönner Putin keine Konkurrenz zu machen, zieht der LDPR-Chef Wladimir Schirinowskij nicht persönlich in den Wahlkampf, sondern schickt seinen treuen Leibwachenchef. Da die Stärke des Ex-Boxchampions eher in den Muskeln liegt (im Novem-ber 2003 versuchte Malyschkin im Stu-dio des Senders NTW den Sekretär von Regierungschef Michail Kassjanow, Michail Deljagin, und den Jabloko-Vize Sergej Mitrochin niederzuschlagen) und er sich bei öffentlichen Auftritten schwer-tut, spricht Schirinowskij gerne für seinen Kandidaten: Er fordert unter anderem die Einrichtung eines autoritären Staates, die Abschaffung des Föderati-onsrates (der zweiten Kammer des Parla-ments), die Verkleinerung der Duma von 450 auf 300 Sitze und die Wieder-einführung der Todesstrafe – und wirkt so als „Blitzableiter“ für Protestwähler. Kommunisten stellen Sowjetnostalgiker auf Der 55jährige Agronom und Oberst des Inlandsgeheimdienstes FSB, Nikolaj Charitonow, verdankt seine Kandidatur dem Umstand, daß KP-Chef Gen-nadij Sjuganow seit der Parlamentswahl im Dezember 2003 angeschlagen ist – die KPRF rutschte von 24,3 auf 12,7 Prozent ab. Charitonow ist aber kein „echter“ Kommunist, sondern Interessenvertreter der kollektivierten (inzwischen „privatisierten“) Agrarbetriebe (ehemals Kolchosen/Sowchosen). An der Aufstellung des unbekannten Vizevorsitzenden des Volkspatriotischen Bunds Rußlands (NPSP/“Agrarier“) wird deutlich, wie wenig Bedeutung die Kommunisten diesem Wahlkampf beimessen. Charitonows einfache und gut einstudierte Parolen über die Notwendigkeit, die Oligarchen zu entmachten und die Wirtschaftsstrukturen sowie das Recht über die nationalen Bodenschätze in die Hände des Staates zurückzuführen, können nur die sowjetnostalgischen Wähler anziehen. Auch seine offene Begeisterung für Felix Dserschin-ski, den Gründer der Tscheka (der er-sten Sowjet-Geheimpolizei), sagt eini-ges über Charitonows Gedankenwelt. Für international beachteten Wirbel sorgte Iwan Rybkin, der letzten Freitag seinen Rückzug mit den Worten mit-teilte: „Ich werde an dieser Farce nicht teilnehmen.“ Die Arbeit als Oppositi-onskandidat sei sehr schwer. Der Ex-Duma-Chef war Mitte Februar einige Tage „verschwunden“ – kehrte dann aber wohlbehalten von einem geheim-nisumwitterten Ukraine-Aufenthalt zurück. Rybkin wurde von dem Dollar-Milliardär Boris Beresowskij unterstützt, der inzwischen im Londoner Exil lebt. Beresowskij, ehemals Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates unter Präsident Boris Jelzin, wollte in diesem Wahlkampf zumindest den Sieg Putins in der ersten Wahlrunde verhindern. Rybkins Wahlprogramm nennt sich „Iwan Rybkin GEGEN Wladimir Putin“. Darin werden alle nicht eingehaltenen Wahlversprechen des jetzigen Präsidenten detailliert aufgezeigt: Der Friede in Tschet-schenien sei nicht wiederhergestellt, die Pressefreiheit sei nicht mehr gewährleistet, die Armut der Bevölkerung werde immer erschreckender – und das, obwohl sich der russische Staat in den letz-ten zehn Jahren an den weltweit gestiege-nen Ölpreisen gehörig bereichert habe. Rybkin versprach, den „russischen Bürgerkrieg“ zu beenden, das in den Jahren 2000 bis 2004 beschlagnahmte Eigentum der „Oligarchen“ zu amnestieren und dem durch Putin in seinen Rechten eingeschränkten Föderations-rat die Vollmachten zurückzugeben sowie die Pressefreiheit wiederherzustellen. Im Laufe dieses Wahlkampfes nannte Rybkin den Staatschef „den größten und gefährlichsten Oligarchen“ und sprach Putin das Recht auf das Präsidentenamt ab. Doch allein Rybkins enge Beziehung zum „Oligarchen“ Beresowskij deklassiert ihn zum Verlierer – das kommt beim Wahlvolk nicht gut an. Putins „überzeugte“ und ernsthafte Gegner sind ebenfalls nur Sparringspartner. Die 48jährige Ökonomin Irina Chakamada, Ex-Vize der pro-westlich orientierten wirtschaftsliberalen Union der rechten Kräfte (SPS), wurde bei der Aufstellung zur Wahl von ihrer eigenen Partei im Stich gelassen und mußte – wie auch Sergej Glasjew – zunächst zwei Millionen Unterschriften sammeln, um als unabhängige Kandidatin aufgestellt zu werden. Das Wahlprogramm der Halb-Japanerin Chakamada klingt in manchem nach Radikalpositionen der FDP und orientiert sich an einer „Integration mit der westlichen Wertegemeinschaft unter Berücksichtigung der nationalen russischen Besonderheiten“. Zunächst will sie die Bürokratie bekämpfen und die Zahl der Ministerien von 23 auf 9 redu-zieren sowie den Posten des Premiermi-nisters aufheben und als Präsidentin von Rußland dieses Amt selber übernehmen. Ihrer voraussehbaren Niederlage in der kommenden Präsidentschaftswahl ist sich Chakamada bewußt – ihre Posi-tionen sind allenfalls einer kleinen Schicht von Reformgewinnern und Intellektuellen vermittelbar. Die derzeiti-ge desolate Lage der russischen rechtsli-beralen Bewegung motiviere sie zur Teilnahme an dieser Wahlkampagne. Wie die Kandidatin selber sagt, will sie den Teil der demokratisch orientierten Wähler auf sich vereinigen, die Putins Machtoligarchie müde geworden sind. Bei der nächsten Präsidentschaftswahl im Jahre 2008 werde die von ihr ge-schaffene liberale Opposition, so Chak-amada, an Kraft gewinnen und somit die Siegeschancen ihres Kandidaten um einiges erhöhen. Putins jüngster und wohl aussichtsreichster Gegenkandidat ist der 43jähri-ge Wirtschaftswissenschaftler Sergej Glasjew. 1993 stand er auf der Seite der Putschisten gegen Präsident Jelzin und hielt engen Kontakt zu dem putschenden Vizepräsidenten Alexander Ruzkoi. Nach der Beschießung des Parlamentes reichte der erst 32jährige Glasjew seinen Rücktritt als Außenhandelsminister ein. Der Ex-Kommunist verdankt seine po-litische Karriere der Präsidentenadmi-nistration, als deren Zögling er gilt. In der letzten Parlamentswahl gelang diesem „Wunderkind“ Beeindrucken-des – die Schwächung und die Aufsplit-terung der Kommunisten durch die Gründung eines linkspatriotischen Par-teienblocks Rodina (Heimat). Glasjew schaffte es, daß seine „Heimat“ mit so-zialpopulistischen Versprechen aus dem Stand mit 9,1 Prozent viertstärkste Par-tei wurde – und er zum gefährlichen Rivalen Putins (JF 51/03 und 8/04). Glasjews Rodina-Genossen, die trotz aller Verbalkritik nach des Kremls Pfei-fe tanzen, verweigerten ihrem Chef die Aufstellung zur Präsidentschaftswahl. Letzten Donnerstag verlor er dann auch den Rodina-Fraktionsvorsitz in der Duma. Bereits vor drei Wochen hatte ihn seine Partei Russische Regionen als Vizepräsidenten abgewählt. Glasjew er-klärte, die Abwahl sei auf Druck Putins erfolgt. Sein Nachfolger Dimitri Ro-gosin beschuldigte hingegen Glasjew, selbst mit dem Kreml zusammenzuar-beiten. Nach Ansicht des Abgeordneten Vik-tor Alksnis vom Parteienblock Rußlands Regionen habe Putins Präsidialadmini-stration beschlossen, ihr ungewolltes Kind, das Bündnis Rodina, „vorsorg-lich zu erwürgen“, noch bevor „das Kind seinen wahren Charakter zeigt“. Ohne Glasjew hat Rodina nur zwei Möglichkeiten: Entweder verkommt sie zur Fi-liale von Putins Einheitspartei Jedinaja Rossija, oder sie wird aufgelöst. Glasjew selbst meinte, im Kreml würde man anstreben, daß alle politischen Ämter von der Präsidialadministration besetzt werden. Eines haben die Polittechnolo-gen des Kreml sicher erreicht: Glasjews politische Zukunft in Frage zu stellen. Daß Putin angesichts solcher Gegner und eines geschickt inszenierten „Wahl-kampftheater“ am 14. März siegreich bleiben wird, bezweifelt niemand. Da-her verwenden Putin und seine Leute all ihr dramaturgisches Talent, um für eine hohe Wahlbeteiligung zu sorgen – 50 Prozent sind nötig. Auch die überra-schende Entlassung von Michail Kasja-now und die Wahl von Michail Frad-kow als Ministerpräsidenten – eine Woche vor der Präsidentschaftswahl – diente zunächst vorrangig diesem Ziel (JF 11/04). Obwohl Putin als Sieger feststeht, geht es auch um die Magie der Zahlen. Das Abschneiden der Rivalen Putins wird zeigen, welche Strömungen für die nächsten vier Jahre Rußlands politisches Profil prägen werden. FOTO: PICTURE ALIANCE Kandidatin Chakamada:Wirtschaftsliberale Thesen gegen Putin

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