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„Mit uns hat man nichts mehr am Hut“

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„Mit uns hat man nichts mehr am Hut“

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Herr Cordsen, das Gefallenendenkmal Ihres Verbandes in Marienfels im Taunus erinnert an 20.000 Ihrer gefallenen Kameraden. Wie haben Sie es empfunden, als Sie hörten, daß die Gemeinde den Stein abreißen möchte? Cordsen: Als beschämend und beleidigend, wir hatten gehofft, den Pachtvertrag wenigstens etwas verlängern zu können, so daß in wir uns in Marienfels noch ein paar Jahre hätten treffen können, um unserer toten Kameraden zu gedenken – es ist ja nur einmal im Jahr. Warum akzeptieren Sie nicht einfach die Bedingungen der Gemeinde zum Erhalt des Denkmals? Cordsen: Erstens, weil die Gemeinde, wenn wir unterschrieben hätten, jederzeit das Recht hat, ohne weitere Diskussion den Stein abreißen zu lassen. Zweitens, weil wir einen solchen Knebelvertrag nicht akzeptieren können: Man schreibt uns vor, wer am Volkstrauertag vor diesem Denkmal erscheinen darf und wer nicht! Am Volkstrauertag hat doch wohl jeder Deutsche – oder besser „Bürger“, wie man heute sagt – das Recht, an den Gedenkveranstaltungen zur Erinnerung an die Toten der Kriege teilzunehmen. Und nun will man das kontrollieren und steuern? Das kommt mir vor wie in der DDR! Bedenken Sie, daß uns pauschal verboten werden soll, jungen Menschen zu erlauben, an unserer jährlichen Gedenkfeier teilzunehmen. Ich habe das Gefühl, man will, daß wir still und alleine vor uns hin aussterben und vergessen werden. Warum sollte man? Cordsen: Weil die junge Generation eine Vorstellung von der Waffen-SS hat, geprägt von dem, was sie im Fernsehen am laufenden Band über die SS vorgesetzt bekommt – man kann also den jungen Leuten ihre Reaktion nicht einmal übelnehmen. Da kann man an die Ehrenerklärung Konrad Adenauers oder Kurt Schumachers für die Soldaten der Waffen-SS erinnern, sooft man will, es hilft nichts. Ganz anderes haben Sie in Ungarn erlebt – dort steht das einzige weitere Gefallenendenkmal für die Angehörigen Ihrer ehemaligen Einheit. Cordsen: Nordöstlich des Plattensees steht in Dég, wo das 1. Panzerkorps noch im März 1945 im Zuge der Operation „Frühlingserwachen“ zum Einsatz gekommen ist, ein ähnliches Denkmal. Nach der Wende hat der Bürgermeister der 3.000-Seelen-Gemeinde nach ersten Kontakten mit unseren Veteranen von sich aus die Errichtung eines Ehrenmals für die vielen deutschen Gefallenen vorgeschlagen. Das klingt erstaunlich. Cordsen: Während des Kommunismus gab es in Dég nur für die Gefallenen der Roten Armee ein Ehrenmal, die Ungarn durften für ihre Gefallenen erst nach 1989 ein Denkmal errichten. Daraus resultiert mehr Verständnis für deutsche Gefallene in Ungarn als in Deutschland? Cordsen: Es ist bitter, sich das einzugestehen, aber es stimmt offensichtlich. Wenn wir im Juni alljährlich nach Dég zur Gefallenenehrung fahren, erfahren wir dort, anders als in Deutschland, nicht nur Verständnis und Anteilnahme von offizieller Seite – sogar Offiziere und eine Kapelle des Honved, der ungarischen Armee, nehmen teil -, sondern auch von seiten der Menschen im Ort. Man veranstaltet um unseren Gedenktag herum sogar ein Festwochenende mit Konzert, Gottesdienst und Folkloreveranstaltung. Und in Marienfels? Cordsen: Heute haben die Leute, bis auf einige wenige Ausnahmen, völliges Desinteresse am Volkstrauertag und am Schicksal der Gefallenen – und nun auch noch dieser Gemeinderatsbeschluß! War die Anteilnahme zur Zeit der Errichtung des Denkmals 1971 größer? Cordsen: Aber natürlich: Ansprache des Bürgermeisters, Teilnahme von Gemeinderatsmitgliedern, Gottesdienst des Gemeindepfarrers im Anschluß an unsere Feierstunde. Davon ist nichts geblieben, der neue Bürgermeister ließ von Anfang an verlauten, mit uns habe er „nichts am Hut“. Der neue Pfarrer scheint sogar gegen unser Auftreten zu sein. Ich habe den Bürgermeister dennoch Jahr für Jahr zu unseren Gedenkveranstaltungen eingeladen – vergeblich. Wieso dieser Wandel in Marienfels? Cordsen: Das hängt, wie gesagt, mit der heutigen Darstellung des Krieges, der Soldaten, insbesondere der der Waffen-SS und überhaupt der ganzen damaligen Generation zusammen. Es erschreckt, wenn man miterleben muß, wie innerhalb von nur dreißig Jahren eine Generation nachwächst, die so undifferenziert und verächtlich über die Alten denkt, wie das bei uns in Deutschland inzwischen der Fall ist. Ein Generationenkonflikt? Cordsen: So könnte man es nennen, denn im Grunde richten sich doch die Ansichten des Gemeinderates von Marienfels gar nicht nur gegen uns ehemalige Soldaten, sondern gegen die Erfahrungen und das Leben der Alten allgemein. Unsere Zeit, das Leben, das wir geführt haben, und damit wir selbst werden im Grunde doch in jeder Hinsicht verurteilt. Die Jungen heute glauben alles verstanden zu haben und alles besser zu wissen – und sie haben die Macht, da haben sie Verständnis und Rücksicht nicht nötig. Sie fühlen sich diskriminiert? Cordsen: Ja, man macht uns durch diese Mißachtung eigentlich doch klar, daß wir im Grunde schon zu Lebzeiten abgelebt haben. Wenn ich jetzt sehe, wie die Bundeswehr überall in der Welt in den Einsatz geschickt wird, dann hoffe ich, daß diese Soldaten nicht erleben müssen, daß die nachfolgende Generation sie einmal für das, was sie heute tun und woran sie heute glauben, verurteilt. Dennoch werden wir nicht klein beigeben, aber wenn nun doch das Denkmal von Marienfels abgebrochen wird, dann werden 20.000 im Krieg umgekommene Menschen dem Vergessen preisgegeben. Claus Cordsen , 82, ist Erster Vorsitzender des Kameradschaftsverbandes der Soldaten des 1. Panzerkorps der ehemaligen Waffen-SS e.V. Der gebürtige Schleswiger war von 1940 bis 1945 Soldat, wurde danach Landwirt und war später im Vorstand der Landesgenossenschaftsbank Kiel. weitere Interview-Partner der JF

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