HAMBURG. Die beim NDR rausgeworfene Moderatorin Julia Ruhs hat schwere Vorwürfe gegen den Sender erhoben. Es sei „bitter“, daß die Sendung kein „Hoffnungsträger in Sachen Pluralität“ geworden sei. „Der NDR sabotiert damit das Entstehen einer neuen Marke. Und hat den Ruf des ÖRRs insgesamt gefährdet“, schrieb die 31jährige im Focus.
Obwohl repräsentative Zuschauerbefragungen ergeben hätten, daß die Sendung bei allen Zielgruppen gut angekommen sei – selbst bei Wählern der Grünen und Linken – sowie eine Mehrheit von 65 Prozent Ruhs als Moderatorin positiv beurteilten, seien Kollegen gegen sie ins Feld gezogen. „‘Die Julia muß weg’, hörte man auf den den Fluren“, schilderte die Journalistin.

Ihr seien handwerkliche Fehler vorgeworfen worden, obwohl die NDR-Leitung ihr jede Sendung abgenommen habe. Ihre Gegner hätten eigene Chat-Gruppen erstellt und Unterschriften gegen das Format gesammelt (JF berichtete).
Spaltete der Eröffnungssatz?
Offenbar habe die hohe Zuschauerzustimmung für den NDR keine Rolle gespielt. „Denn dort hatte man intern viele Kritiker. Die Unterschriften gegen unser Format sammelten, geheime Chatgruppen gründeten, die sich vor allem auf mich eingeschossen hatten.“
Immer wieder sei ihr der erste Satz ihrer ersten Sendung vorgeworfen worden. Damals hatte Ruhs „Klar“ mit den Worten eröffnet: „Was jetzt kommt, wird vielleicht nicht jedem gefallen.“ Innerhalb des NDR hätten Kollegen diesen Satz als „spaltend“ bezeichnet. Dabei hätten sowohl das ZDF als auch die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt diesen Spruch mehrfach benutzt.
Die künftigen Folgen von „Klar“ sollen ab 2026 sowohl vom NDR als auch vom BR produziert werden. Beim BR behält Ruhs die Moderation, beim Norddeutschen Rundfunk wird sie durch die ehemalige Bild-Chefredakteurin Tanit Koch ersetzt.
Linnemann fordert Einfrierung des Rundfunkbeitrags
Die Absetzung von Ruhs hatte vielerlei Kritik ausgelöst. So hatten der Ministerpräsident Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), sowie der CSU-Vorsitzende Markus Söder den Rauswurf gerügt. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sprach von einem „Tiefpunkt in Sachen Debattenkultur in Deutschland“. Er forderte, den Rundfunkbeitrag aus diesem Grund auf dem aktuellen Niveau einzufrieren (JF berichtete).
Auch die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Heidi Reichinnek, nannte den Rauswurf „hochproblematisch“. Es sei wichtig, daß Medien faktenbasiert argumentieren, ihre Quellen nennen könnten und „daß sie versuchen, möglichst neutral mit den Gesprächspartnern umzugehen“.
Andere verteidigten das Handeln des NDR. Der ZDF-Moderator Jo Schück behauptete, die Absetzung von Ruhs hänge damit zusammen, daß die Folgen der Sendung „mindestens teilweise unausgewogen“ und „tendenziös“ und dementsprechend „schlechter Journalismus“ gewesen seien. „Ein ganz normaler und legitimer Vorgang.“
WDR-Journalistin begrüßt Ruhs‘-Rauswurf
Linnemanns Vorschlag, die Gebühren einzufrieren, wies er zurück. Natürlich dürfe der CDU-Politiker sein Bedauern über die Absetzung äußern, solle dabei allerdings betonen, daß die Verteidigung der Rundfunkfreiheit wichtiger sei als der Fall Ruhs. Es dürfe nicht der Verdacht aufkommen, daß sich prominente Politiker in unabhängige Medien einmischten.
Die WDR-Journalistin Gilda Sahebi warf Linnemann vor, er habe seine Forderung „eigentlich nicht offen“ stellen dürfen. Sie verstehe zudem „mit jeder Faser“ ihres Körpers, wieso der NDR „diese Person“, gemeint ist Ruhs, nicht mehr als Moderatorin haben wolle. Julia Ruhs sei ein Beispiel für die Gefahr, die von Kulturkämpfen ausgehe – und wieso man diese nicht mitmachen solle. „Ich als Journalistin würde niemals stehen wollen für so schlechten Journalismus. Das war unfaßbar schlechter Journalismus. Das hat mit Qualität nichts zu tun und hat mit journalistischen Standards nichts zu tun.“
Ruhs sei eine Person, die komplett auf Polarisierung setze und solle daher ignoriert werden. „Ich kenne die Einschaltquoten von diesem ‘Klar’-Format nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, daß die nicht gut waren.“ Schlechter Journalismus setze sich nicht durch.
(lb)