Die „Kackeistamdampfen“, sagt Jan Böhmermann in der New York Times. Was meint der ZDF-Moderator, der hier im blauen Anzug mit ernster Miene vor grauer Wand spricht, damit? Deutschland drohe eine faschistische Übernahme. Sollte die restliche Welt alarmiert sein? „Jawohl. Aber Hallo, und zwar so richtig. Yes“, meint Böhmermann und zeigt auf – kein Trommelwirbel – die AfD. Denn die Deutschen seien nicht nur gut darin, lange, komplizierte Wörter zu erfinden – von denen er dem amerikanischen Publikum einige beibringen wird –, sondern vor allem auch in einem: „Nazis erfinden“.
In acht Minuten und 53 Sekunden erklärt der 43jährige, zumindest aus seiner Perspektive, wie die 2013 gegründete Partei ein „autoritäres Spielbuch“ abarbeite und sich dem Nationalsozialismus annähere. Beispiel: Der „Hitleresque“ Höcke fordert eine 180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur. Im Zwischentext durfte der Verweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen, wonach Höcke als „Faschist“ bezeichnet werden darf, selbstredend nicht fehlen. Wie könne der Thüringer AfD-Chef dies angesichts der zahllosen Holocaust-Denkmäler tun, stellt Böhmermann suggestiv in den Raum.
Böhmermann wandert vom Vogelschiß zum Schuhsohlenauflauf
Dann wäre da noch Alexander Gauland. Der Mitbegründer der AfD und ihr Ehrenvorsitzender sagte: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiß in über tausend Jahren deutscher Geschichte.” Gauland will stolz sein auf Deutschlands „ruhmreiche Geschichte“. Erneut fragt Böhmermann: Erfolge wie zwei verlorene Weltkriege?
Auch AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel kommt in der Aufzählung nicht zu kurz und schlägt die benötigte Brücke zu Elon Musk, der sich öffentlichkeitswirksam zur Partei bekennt. Hitler sei Kommunist und Sozialist gewesen, behauptete Weidel in einem Gespräch mit dem US-Amerikaner. Eine 180-Grad-Wende von der Wahrheit. „Kann man ja mal versuchen“, meint Böhmermann.
Wie kann es in Deutschland, dem Land der Vergangenheitsbewältigungsweltmeister, zu solchen Aussagen kommen? Der ZDF-Moderator meint, es liege an einem mangelnden individuellen Schuldbewußtsein für den Holocaust. Die Verbrechen seien lediglich kollektiv aufgearbeitet worden. Daß Großvater Böhmermann in der Waffen-SS gewesen sei, werde schöngeredet: Er war dort doch nur Koch und dazu noch ein schlechter. Das amerikanische Publikum lernt das Wort „Schuhsohlenauflauf“.
Adenauer als Prototyp des „verschlüsselten Nazis“
Diese „Geschichtsvergessenheit“ sei allerdings nicht neu, konstatiert Böhmermann. Dafür wagt er den Zeitsprung zu Konrad Adenauer, der nach seinem „Wiedergutmachungsabkommen“ noch Folgendes zu sagen hatte: „Die Macht der Juden – auch heute noch, besonders in Amerika – sollte man nicht unterschätzen. Und daher habe ich sehr überlegt und sehr bewußt – und das war von jeher meine Meinung – meine ganze Kraft daran gesetzt, so gut es ging eine Versöhnung herbeizuführen zwischen dem jüdischen Volk und dem deutschen Volk.“
Böhmermann übersetzt für die englischsprachigen Zuschauer: „Vorsicht, die Juden sind noch da, obwohl wir versucht haben, sie alle zu töten. Also von nun an sind wir besser nett zu ihnen und dann ist alles wieder gut.“ Die Nazis hingegen seien nie weg gewesen, wie der NSU bewiesen habe und Höcke beweise. Böhmermann diagnostiziert: Nie wieder sei eine leere Phrase und daher sei auch eine 180-Grad-Wende der Erinnerungskultur leer.
Daher könnte die AfD nun Nazi-Dinge tun und fordern, etwa wie den Hitlergruß vor Rechtsextremisten zeigen – es wird der Videoausschnitt von Musk eingespielt –, solange die Partei nur behaupte, nicht nationalsozialistisch zu sein. Die „Kackeistamdampfen“. Blasmusik. Abspann.