Bei Markus Lanz sollten am Dienstag abend der ehemalige SPD- und heutige AfD-Mann Guido Reil und Juso-Chef Kevin Kühnert aufeinandertreffen. Der „Kampf der beiden Arbeiterführer“, wie die AfD die Begegnung auf Facebook im Vorfeld vollmundig ankündigte, versprach durchaus spannend zu werden. Das dachte sich wohl auch Lanz selbst, und räumte der Debatte Reil versus Kühnert den größten Teil seiner Sendung ein.
Wie so manch großer Boxkampf konnte das Duell die hohen Erwartungen allerdings nicht wirklich erfüllen. Dies lag vor allem an Guido Reil. Der AfD-Kandidat für das EU-Parlament war seinem jungen Kontrahenten zumindest an diesem Abend deutlich unterlegen. Der SPD-Mann wirkte redegewandter, klüger und insgesamt einfach viel professioneller als Reil.
Was viele sonst als die größte Stärke des Gelsenkirchener Bergmanns sehen, wurde in der ZDF-Talkshow zu seiner massivsten Schwäche. Er war einfach eine Spur zu sehr im Proletarier-Modus. Gegenüber dem gewandt auftretenden Kühnert wirkte er damit wenig überzeugend und stellenweise regelrecht plump. Bei komplizierten Themen wie Klimawandel, Rente oder Wohnungsnot versuchte der AfD-Politiker mit schlecht auswendig gelernten populistischen Parolen und Antworten aus dem Bauch heraus zu punkten.
Nicht weniger populistisch, aber schöner verpackt
Für den, wie auch Reil zugeben mußte, rhetorisch brillanten Juso-Vorsitzenden, war es ein Leichtes, seinen Debattengegner immer wieder auszukontern. Kevin Kühnerts Antworten waren zwar meist nicht weniger populistisch, er konnte sie aber schöner verpacken und war merklich besser vorbereitet.
So verzieh das Publikum dem jungen Wilden von der SPD selbst grobe Schnitzer. Als Kühnert die drohende Enteignungen von Wohnungsbesitzern als „Zeigen des Waffenarsenals“ bezeichnete, bemerkte zwar der Moderator, daß ihm dieser Satz wohl noch lange nachhallen werde, in der Sendung selbst blieb er, auf Grund der Schwäche seines politischen Gegners, aber erst einmal ungestraft.
Egal was Kevin Kühnert an dumpfer antikapitalistischer Propaganda raushaute, Reil setzte entweder noch einen drauf oder gab seinem sozialdemokratischen Kontrahenten sogar recht. Daß Lanz diese schlichten Parolen nur bei seinem Gast von der AfD bemerkte und kritisierte, während er den Jungsozialisten damit weitgehend durchkommen lies, fiel da auch nicht mehr weiter ins Gewicht.
Lanz hält sich auffallend zurück
Überhaupt nahm sich der ZDF-Moderator in dieser Sendung auffallend zurück. Dabei lud Reil den Talkmaster mit seinen Antworten oft fast schon zum spöttischen Eingreifen ein. Als Lanz ihn fragte, wie er EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fände, fiel dem AfD-Europawahl-Kandidaten nichts besseres ein, als die Gegenfrage: „Wenn er nüchtern ist?“ Das EU-Parlament bezeichnete Reil als „riesigen Moloch“. Der Moderator fragte an solchen Stellen lediglich zaghaft nach dem „Warum“. Er wußte vermutlich genau, daß mehr auch gar nicht nötig war.
Guido Reil hat da wohl mehr Gegenwind erwartet. Der „Nazikeule“ weicht er trotzdem prophylaktisch betont aus, obgleich die an diesem Abend tatsächlich mal überhaupt keiner geschwungen hat. Als Reil am Ende auch noch leicht patzig in den Ton einer beleidigten Leberwurst verfällt, gibt er auch noch seinen letzten Trumpf, sein bis dato zumindest irgendwie sympathisch wirkendes Auftreten, aus der Hand.
Für Kevin Kühnert war die Sendung ein haushoher Punktsieg. Sollte es zu einem „Rückkampf“ kommen, sollte der Mann aus dem Ruhrpott in besserer Form auftreten. Dazu muß er aber wohl erst nochmal ins politische Trainingslager.