Werner Plumpe stammt aus einer ostwestfälischen Pfarrersfamilie und studierte an der Ruhruni Bochum. Trotz jahrelanger DKP-Mitgliedschaft erhielt er eine Gastprofessur an der privaten Keiō-Universität in Tokio. Von 1999 bis zu seiner Emeritierung 2022 hatte er den Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Goethe-Universität Frankfurt am Main inne. Und in seinem neuen Buch beschreibt er den Gestaltwandel von Wirtschaftskriegen in der Neuzeit, der offensichtlich von den technologischen Gegebenheiten und der Mächtekonstellation abhängt.
Im 16. Jahrhundert konnte er noch der Seeräuberei ähneln, im 21. Jahrhundert geht es eher um Zölle und Industriepolitik, um Halbleiter oder Cyberangriffe zwecks Industriespionage. Unabhängig von der konkreten Gestalt ist davon auszugehen, daß Wirtschaftskriege in der Regel beiden Seiten und Unbeteiligten schaden, also ein Negativsummenspiel sind, daß die Folgen der Wirtschaftssanktionen oder anderer Maßnahmen oft nicht intendiert und schwer abschätzbar sind, daß der Hintergrund eher politische Dominanzansprüche als rein wirtschaftliche Kalküle sind.
Wirtschaftskriege sind eher Instrumente als Determinanten von Rivalitäten. Die Durchsetzungschancen in Wirtschaftskriegen hängen weniger vom Reichtum eines Landes ab, wie der Niedergang Spaniens trotz (oder vielleicht sogar wegen) seines Zugriffs auf lateinamerikanische Edelmetalle illustriert, als von der industriellen Entwicklung ab, wie der Aufstieg Großbritanniens im 19. Jahrhundert zeigt. Als Historiker will Plumpe den Leser nicht zu vielleicht voreiligen Analogien und Fehlschlüssen verleiten.
Woher kommt die nächste industrielle Dominanz?
Als theoretisch orientierter Sozialwissenschaftler kann der Rezensent nicht der Versuchung widerstehen darauf hinzuweisen, daß Chinas Anteil an der globalen verarbeitenden Industrie ungefähr doppelt so hoch wie der amerikanische ist, daß nur der Westen einschließlich Japan und Südkorea eine mit China vergleichbare Industrieproduktion aufweist. Die Einhegung von Wirtschaftskriegen und großräumige Wachstumschancen haben sich in der Vergangenheit vor allem bei eindeutiger Dominanz einer Großmacht ergeben: im 19. Jahrhundert als Pax Britannica, nach dem Zweiten Weltkrieg als Pax Americana. Plumpe spricht hier auch von Freihandelsimperialismus. Andere Autoren nennen das hegemoniale Stabilitätstheorie.
Die von einer Macht garantierte Ordnung kann durchaus anderen Mächten in stärkerem Ausmaß als dem Hegemon selbst zugute kommen, wie in den letzten Jahrzehnten der Wachstumsschub Chinas in der amerikanisch dominierten Wirtschaftswelt illustriert. Ob sich wirtschaftliche und politische Rivalitäten auch ohne Hegemonialmacht einhegen lassen, läßt Plumpe offen. Man muß es in Anbetracht der Vorteile des Freihandels und der Kosten eines fast permanenten Wirtschaftskriegs wie zwischen den beiden Weltkriegen hoffen.
Plumpe hält weder die Fortdauer der amerikanischen Hegemonie noch eine chinesische für realistische Zukunftsperspektiven. Plumpes Skepsis gegenüber der Moralisierung von Sanktionen erinnert an ähnliche Auffassungen bei der realistischen Schule der Weltpolitik. Das Buch ist gut lesbar, bietet mehr einen historischen Überblick als explizite Theorie oder gar daraus abgeleitete politische Empfehlungen.
Prof. Dr. Erich Weede lehrte Soziologie an den Universitäten Köln und Bonn. 1998 gründete er die Friedrich-A.-von-Hayek-Gesellschaft mit.





