GOSLAR. Die Polizeiinspektion Goslar in Niedersachsen hat die Publizistin Anabel Schunke mit Schreiben vom vergangenen Mittwoch darüber informiert, daß ein Ermittlungsverfahren gegen sie läuft. Das Schreiben liegt der JUNGEN FREIHEIT vor. Darin wird Schunke „üble Nachrede/Verleumdung gg. eine Person des politischen Lebens“ zur Last gelegt. Sie soll „als Beschuldigte“ vernommen werden.
Worum es genau geht, läßt das Schreiben offen, nennt aber als Ereigniszeit den 13. November 2024, 12:39 Uhr. Exakt zu diesem Zeitpunkt hatte Schunke auf ihrem X-Account ein sogenanntes Meme gepostet, das ein Foto von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zeigt, dazu den Schriftzug „Schwachkopf PROFESSIONAL“. Schunke schrieb darüber: „Gibt es jetzt eine Hausdurchsuchung?“
Gibt es jetzt eine Hausdurchsuchung? pic.twitter.com/w37RRx0yjk
— Anabel Schunke (@ainyrockstar) November 13, 2024
An diesem Tag hatte das Nachrichtenportal Nius berichtet, daß die Polizei das Haus des Rentners Stefan Niehoff durchsucht hatte. Die Staatsanwaltschaft legte Niehoff einen Verstoß gegen Paragraph 188 Strafgesetzbuch wegen Politikerbeleidigung zur Last. Er hatte das Habeck-Meme verbreitet. Der Vorgang sorgte für eine öffentliche Debatte. In diesem Kontext veröffentlichte dann auch Schunke das Meme.
Es gibt einen Unterschied zu Niehoff
Ob wirklich deswegen gegen sie ermittelt wird, ist nicht eindeutig klar, die zeitliche Angabe spricht aber stark dafür. Natürlich kann aber auch ein Fehler der Polizei nicht ausgeschlossen werden. Die Polizei Goslar bestätigte am Dienstag gegenüber der JF, daß ein Ermittlungsverfahren geführt werde. Auskünfte seien aber aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht möglich.
Auffällig ist, daß Schunke laut dem Schreiben nicht wie in Niehoffs Fall wegen Beleidigung einer Person des politischen Lebens beschuldigt wird, sondern wegen übler Nachrede beziehungsweise Verleumdung einer Person des politischen Lebens. Auch dieser Tatbestand findet sich in Paragraph 188 des Strafgesetzbuches. Anders als bei Beleidigungen geht es hier aber um Tatsachenbehauptungen.
Schunke hat ihren Anwalt eingeschaltet, der für sie Akteneinsicht beantragen soll, wie sie der JF am Dienstag sagte. Auch ihr liegen bislang keine weiteren Informationen zu den Hintergründen vor.
Schunke: „Staat macht sich nur noch lächerlich“
Die Autorin, die auch für die JF schreibt, zeigte sich aber empört: „Ich hätte nicht gedacht, daß man nach dem Eklat mit der Hausdurchsuchung noch einmal Bürger wegen eines Memes verfolgen läßt. Dieser Staat, der es nicht einmal schafft, ausreisepflichtige Kriminelle und Antisemiten auszufliegen, macht sich mit der emsigen Verfolgung von Gedankenverbrechen nur noch lächerlich.“
Nochmal zu meinem aktuellen Fall wegen „übler Nachrede/Verleumdung gg. einer Person des politischen Lebens“
Ich habe bis jetzt nichts, außer diese Vorladung der Polizei. Mehr weiß ich erst, wenn mein Anwalt und ich die Akteneinsicht haben, mit der ich ihn gestern beauftragt…
— Anabel Schunke (@ainyrockstar) March 25, 2025
Schunke mutmaßt, Habeck selbst könnte hinter dem Vorgang stecken. Sicher ist das allerdings nicht. Wie die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages im November 2024 ausführten, handelt es sich bei Taten nach Paragraph 188 Strafgesetzbuch um sogenannte relative Antragsdelikte.
Das bedeutet, daß nicht zwingend ein Antrag des angeblich oder tatsächlich Geschädigten für eine Strafverfolgung nötig ist. Gemäß Paragraph 194 Strafgesetzbuch können solche Taten vielmehr auch ohne Strafantrag des Verletzten verfolgt werden, „wenn die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält“. Dies gilt nicht, wenn der angeblich Verletzte, im Fall des Memes Habeck, widerspricht. (ser)