Die obige Frage stellt sich nach der neuesten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. Danach befinden sich die Kirchen in einem „dramatischen Abwärtstrend“. Gehörten nach dem Zweiten Weltkrieg noch über 90 Prozent den Volkskirchen an, so sind es inzwischen nur noch 47 Prozent.
Mehr als halbiert hat sich die Zahl der EKD-Mitglieder (von 41,2 Millionen 1950 auf jetzt 19 Millionen). Die katholische Kirche sank um fast fünf Millionen auf 20 Millionen Anhänger. Eine Folge sowohl der demographischen Entwicklung als auch der Austrittswellen aufgrund der linken politischen Schlagseite und der Mißbrauchsfälle. Vertuschung wirft man hier der EKD-Ratsvorsitzenden, Annette Kurschus, vor. Sie trat am 20. November zurück.
Konservative sollten Kirchenaustritt überdenken
Kein Wunder, daß 43 Prozent der Katholiken und 37 Prozent der Protestanten „austrittsgeneigt“ sind. Als Reaktion auf die Untersuchung meinte die Präses der EKD-Synode, die Kirche brauche ein „gesundes Selbstvertrauen“. Selbstkritik sollte wirkungsvoller sein.
Nur wenn die Kirchen zu ihrem eigentlichen Auftrag zurückfinden – Seelsorge, Diakonie, Verkündigung – besteht Hoffnung auf Erneuerung. Konservative, die überlegen, auszutreten, sollten bedenken: Sie überlassen dann das Feld den anderen. Besser wäre: Auftreten, sich einmischen, auch wenn es wehtut. Es lohnt sich – um der biblischen Botschaft willen. Wer die Großkirchen bereits verlassen hat, sollte sich eine geistliche Alternative suchen. Denn Christsein ohne Gemeinschaft macht einsam.
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Helmut Matthies, Jahrgang 1950, ist evangelischer Theologe, Buchautor und Journalist. Er war bis 2017 Leiter der evangelischen Nachrichtenagentur Idea.