HANNOVER. Die Stadt Hannover hat eine Vortragsveranstaltung zur Kolonialgeschichte nach Boykottdrohungen einer Antirassismus-Organisation abgesagt. Anlaß für die Proteste war ein geplanter Vortrag des Historikers Helmut Bley zur Kolonialgeschichte. Ihm sei von der „Initiative für Diskriminierungssensibilität und Rassismuskritik“ (IDiRa) vorgeworfen worden, sich als „alter weißer Mann“ nicht „in afrikanische Verhältnisse hineindenken und einfühlen“ zu können, sagte Bley der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.
Während einer Online-Vorbesprechung zu der ursprünglich für Mitte März vorgesehenen Veranstaltung sei zudem geäußert worden, „daß nur afrikanische Menschen authentische Aussagen zu dem Thema treffen könnten“. Kurz nach diesem Gespräch habe eine Mitarbeiterin der Stadt den emeritierten Professor über die Absage des Vortrags informiert.
Grüne fordern Beschäftigung mit Kolonialverbrechen
Bley, der unter anderem in Tansania lehrte und als Fachmann für die Aufarbeitung der Kolonialzeit gilt, betonte, es sei nicht möglich gewesen, die Vertreter der IDiRa von ihrer Position abzubringen. Er habe sich vergeblich bemüht, ihnen zu erklären, daß nach ihrer Argumentation Afrikaner auch nicht die Verhältnisse in Europa studieren könnten. „Dabei haben doch viele Afrikaner, Lateinamerikaner und Chinesen auch die Lehren von Karl Marx aus Trier rezipiert oder sozialdemokratische Positionen aufgegriffen.“
Die Grünen haben eine intensivere Beschäftigung mit deutschen Kolonialverbrechen gefordert. Die Bundesrepublik müsse sich zu einem „Völkermord“ an den Ovaherero und den Nama in Namibia bekennen. Zudem drängen sie auf eine offizielle Entschuldigung für während des Kolonialismus begangene Taten. (ag)