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Schule in der Pandemie: Generation Corona

Schule in der Pandemie: Generation Corona

Schule in der Pandemie: Generation Corona

Generation Corona: Für viele Schüler ist der Unterricht am Küchentisch triste Realität Foto: picture alliance / ROBIN UTRECHT | ROBIN UTRECHT
Generation Corona: Für viele Schüler ist der Unterricht am Küchentisch triste Realität Foto: picture alliance / ROBIN UTRECHT | ROBIN UTRECHT
Generation Corona: Für viele Schüler ist der Unterricht am Küchentisch triste Realität Foto: picture alliance / ROBIN UTRECHT | ROBIN UTRECHT
Schule in der Pandemie
 

Generation Corona

Besonders Schüler sind von den Lockdown-Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie betroffen. Schon ist von einer „Generation Corona“ die Rede. Neben der schlechteren Bildungsvermittlung im Homeschooling leidet der Nachwuchs auch unter der Trennung von den Mitschülern. Öffnungsperspektiven müssen her. Ein Kommentar von Josef Kraus.
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Corona hat nicht nur Wirtschaft, Gesundheitswesen und Freiheitsrechte im Gri­ff, sondern auch das Bildungswesen und damit die junge Generation. Von einer „Generation Corona“ ist bereits die Rede. Ein solches Etikett mag sich wieder verflüchtigen, so wie das noch mit jedem dieser Etiketten früher geschah: Null-Bock-Generation, Generation Golf, Techno-Generation, Generation X / Y / Z usw.

Einen Unterschied freilich kann man jetzt schon festmachen: Die genannten früheren Etiketten entstammten einem mehr oder weniger flüchtigen Lebensgefühl, sie waren Selbstetikettierungen oder Etikettierungen, die schlaue ältere Leute, zum Beispiel „Jugendforscher“, der jeweiligen Jugend oktroyierten.

Mit einer „Generation Corona“ ist es wohl anders. Denn hier sind auf Dauer wirkende ungünstige Prägungen zu beobachten, und andere, für die psychosoziale Entwicklung wichtige Prägungen finden nicht statt. Beides wird nachhaltig sein. Über die Spätfolgen wird freilich wenig debattiert. In der „hohen“ Politik spielt das kaum eine Rolle. Boshaft gesagt: Es ist dies kein Wunder, wenn etwa im Bundeskabinett von der Kanzlerin bis zum Vizekanzler, vom Gesundheitsminister bis zum Kanzleramtsminister, vom Wirtschaftsminister bis zur Landwirtschaftsministerin zahlreiche Leute sitzen, die keine Kinder haben.

Ein halbes Schuljahr Präsenzunterricht fehlt

Covid-19 hat für die jungen Leute vieles durcheinandergewirbelt, denn ab Mitte März 2020 wurden die Schulen zweimal über längere Phasen hinweg geschlossen. Das hat massive Auswirkungen nicht nur auf Bildung und Lernen, sondern auf die gesamte Persönlichkeitsentwicklung.

Je nach Alter und Jahrgangsstufe haben Schüler seither zwischen 400 und 600 Stunden Präsenzunterricht nicht erhalten. Das entspricht in etwa einem halben Schuljahr. Besonders ausgeprägt dürfte es in den Grundschulen sein, weil dort die Grundlagen der Kulturtechniken gelegt werden. Den geringeren Schaden hatten bislang Kinder bildungsbeflissener Eltern. Denn dort geben Väter und Mütter den Hilfslehrer. Am größten könnten die Versäumnisse in „bildungsfernen“ Häusern sein, zumal dort, wo die Eltern kaum Deutsch sprechen.

Schichtunterricht, Distanzlernen via Netz, Teleteaching, Homeschooling oder Hybrid-Lernen (als Mischung aus Präsenz- und Online-Unterricht) blieben und bleiben ein Notbehelf, zumal die Schulen und Schüler nicht alle mit der entsprechenden Hard- und Software ausgestattet und die dafür notwendigen Netze anfällig sind. Das Geld wäre da, hier ist im Sommerhalbjahr 2020 allerdings zu wenig passiert. Doch selbst bei bester Ausstattung kann das Heimlernen den Präsenzunterricht nur rudimentär ersetzen, und selbst das nur bei der reinen Vermittlung von Sto­ff.

Ärzte beobachten Verhaltensauffälligkeiten bei Schülern

Bildung, Unterricht und Lernen sind aber nicht das einzige, was Schule ausmacht. An geschätzt 100 der knapp 200 Schultage pro Jahr hatten Schüler auch keinen „Live“-Kontakt mit Mitschülern. Jugend- und Sportgruppen gab und gibt es nicht mehr. Also auch kaum noch Kontakte mit Gleichaltrigen, wenn man davon absieht, daß sich die Heranwachsenden privat mit einem (!) Altersgenossen tre­ten durften.

Für die soziale, psychische und motorische Entwicklung hat das Folgen, die in unterschiedlichem Maße zum Tragen kommen. Kinderärzte und Kinderpsychologen beobachten jetzt schon bei bis zu einem Drittel der Kinder Verhaltensauffälligkeiten. Das mag eine etwas übertriebene Schätzung sein, aber ein nennenswerter Anteil von Schülern ist es doch.

Bei diesen Kindern und Jugendlichen greifen Ängste, Apathie, Aggressionen, adipöse Entwicklungen, Depressionen, Konzentrationsstörungen, Schuldgefühle um sich. Ein Teil der Kinder vereinsamt, zum Teil auch deshalb, weil sie sich noch mehr als zuvor im „Netz“ am Bildschirm verlieren. Krankenkassen (so eine Forsa-Studie im Auftrag der DAK) und Suchtexperten gehen davon aus, daß die Gaming und Internetzeiten Heranwachsender mit „Corona“ bereits beim ersten Lockdown um bis zu 75 Prozent gestiegen sind. Man ist zwar in den Sozialen Medien präsent, aber man wird zum digitalisierten Eremiten. In der kalten Zeit des Winters 2020/2021 dürfte sich dies sogar noch potenziert haben.

Auch Samstagsunterricht sollte möglich sein

All dies sind Deprivationsfolgen. Mit Deprivationen (von lat. deprivare = berauben) sind unfreiwillige Entbehrungen gemeint: als soziale Deprivationen wegen fehlender Kontakte, als sensorische Deprivationen wegen fehlender Anreize, als motorische Deprivation wegen Bewegungsmangels, vor allem aber als emotionale Deprivation wegen des Fehlens an emotional geprägter Interaktion mit Gleichaltrigen. Das Ausmaß dieser Folgen hängt davon ab, wie umsichtig Eltern damit umgehen und inwieweit es ihnen gelingt, die Resilienz der Kinder zu stärken, das heißt, ihre psychische Kraft zu mobilisieren.

Was ist notwendig? Es wird höchste Zeit, daß alle verfügbaren Maßnahmen ergri­ffen werden, um zur Präsenzschule zurückkehren und versäumten Präsenzunterricht nachholen zu können. Voraussetzung dafür sind: eine optimale sanitäre Ausstattung der Schulen mit Desinfektions- und Hygienemaßnahmen; optimale Lüftungspläne und Luftreinigungstechniken; FFP2-Masken für alle Lehrer und Schüler während des gesamten Unterrichts; zweimal wöchentlich Antigen-Tests für Lehrer und Schüler; Höherstufung der Lehrer (und Erzieher) auf der Liste der Impfprioritäten.

Präsenzunterricht könnte man nach Wiederö­ffnung der Schulen gewinnen durch vorübergehend zusätzliche, gegebenenfalls freiwillige Schulsamstage, wie sie früher gang und gäbe waren. Sobald der Unterricht dann wieder halbwegs regulär stattfinden kann, wird es auch darum gehen, etwas Tempo zu machen und zu der zu Unrecht verteufelten lehrerzentrierten, dynamischen Unterrichtsmethodik zurückzukehren.

JF 9/21

Generation Corona: Für viele Schüler ist der Unterricht am Küchentisch triste Realität Foto: picture alliance / ROBIN UTRECHT | ROBIN UTRECHT
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