Der Deutsche Fußballbund (DFB) steht mal wieder ohne Präsidenten da. Wie bereits angekündigt, trat Fritz Keller am Montag von dem Posten zurück. Ihm wurde somit seine verbale Entgleisung während einer Präsidiumssitzung vom 23. April zum Verhängnis.
Darin hatte Keller seinen Stellvertreter Rainer Koch als „Freisler“ bezeichnet. Roland Freisler war während des Dritten Reichs Präsident des Volksgerichtshofes und verantwortlich für rund 2.600 Todesurteile gegen Gegner des NS-Regimes. Besonders boshaft an diesem Tiefschlag von Keller war, daß Koch Richter ist.
Seitdem hatten sich immer mehr Funktionäre des Sportverbandes gegen Keller positioniert. Doch der ehemalige Präsident des Fußballbundesligisten SC Freiburg kämpfte zunächst mit allen Mitteln um seinen Stuhl. Offenbar wollte er nicht einsehen, daß die von ihm geschwungene Nazi-Keule ihn selbst niedergestreckt hatte.
Knobloch lobt Keller
Keller, der in seiner rund zweijährigen Amtszeit den DFB weiter links politisierte und beispielsweise Sympathie für die „Black Lives Matter“-Proteste von Bundesligaspielern bekundete, griff zu allen Mitteln. So stattete er am 6. Mai der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, einen medienwirksamen Besuch ab.
Die Bild-Zeitung war vor Ort und dokumentierte, wie Keller der ehemaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden mit Wein und Blumenstrauß seine Aufwartung machte. Im Nachgang lobte sie Keller gegenüber dem Blatt: „Ich kenne Fritz Keller seit langem als Menschen, der sich für Erinnerung in Verantwortung einsetzt. Daß er mit seiner unbedachten Aussage einen Fehler gemacht hat, steht außer Frage: Er selbst hat dafür bereits um Entschuldigung gebeten. Ein einziger verbaler Fehlgriff macht aber Kellers langjähriges Engagement nicht ungeschehen, und er ändert auch nichts an der Person Fritz Keller, die ich kenne und unverändert schätze.“
Damit wähnte sich der angeschlagene DFB-Chef ausreichend rehabilitiert, um den Verband weiter zu führen. Doch seine Gegner ließen nicht locker, was letztlich zum nun vollzogenen Rücktritt führte.
Keller klagt über Machtkämpfe und Befindlichkeiten
Wie sehr ihn das schmerzte, verriet zwischen den Zeilen Keller in seiner ausführlichen Stellungnahme, die er Montag über den DFB verbreiten ließ. Darin nutzt er noch einmal die Gelegenheit zum Rundumschlag gegen seine Rivalen. Da ist die Rede von „einer desolaten Führungssituation“, fehlender Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Integrität und Leistungsstärke.
Ausführlich beklagte sich Keller, daß er, der nach seiner Wahl 2019 als großer Reformer gefeiert worden war, quasi überall auf Widerstände gestoßen sei. Zudem sei es „viel zu häufig um eigene Befindlichkeiten, interne Machtkämpfe, um die Sicherung von Vorteilen sowie um das ‘Arbeiten’ am eigenen Bild in der Öffentlichkeit“ gegangen. Ob er damit auch seinen medienwirksamen Besuch bei Knobloch meinte, darf wohl bezweifelt werden.
DFB gibt desolates Bild ab
Kellers Abgang erfolgt mit dem Getöse des beleidigten, weil angeblich verkannten großen Machers. Es ist bezeichnend, daß er sich im verbandsinternen Machtkampf mit dem ohnehin peinlichen Einsatz eines NS-Vergleiches selbst irreparabel beschädigte. Sein Besuch bei Knobloch, deren Sohn Bernd Knobloch übrigens Chef der DFB-Ethik-Kommission ist, macht die Begleitumstände noch etwas peinlicher.
Denn dieses Gremium befaßte sich auch mit der Angelegenheit. Ein Urteil der Ethikkammer in der Sache wird im Mai erwartet. Den DFB führen vorerst die beiden Vizepräsidenten Rainer Koch (Amateure) und Peter Peters (Profis).
Ob beim DFB, der in den vergangenen Jahren unter anderem wegen zwei Steuerrazzien und Korruptionsvorwürfen in die Schlagzeilen geriet, mit einem neuen Präsidenten seine vorhandenen Brandherde wird löschen können, ist fraglich. Das desolate Bild des weltweit größten Sport-Fachverbandes hat jedenfalls ein paar neue Facetten bekommen.