BERLIN. Erzbischof Gerhard Ludwig Müller hat Kritik an seiner Unterschrift auf einem Appell katholischer Würdenträger zurückgewiesen. Sein italienischer Amtskollege Carlo Maria Viganò hatte einen Text verfaßt, der die „ungerechtfertigten Einschränkungen von Grundrechten“ aufgrund der Corona-Krise kritisierte und vor einer „Panikmache“ warnte. „Es ist falsch, immer alles zu polarisieren. Wer es besser weiß, kann doch Irrtümer richtigstellen“, sagte Kardinal Müller am Sonntag der Tagespost.
Müller betonte, seine Unterschrift sei bewußt mißverstanden worden. „Natürlich haben interessierte kirchliche Kreise diesen Viganò-Text benutzt, um daraus Empörungskapital gegen ihre vermeintlichen Gegner zu schlagen. Jeder nennt jetzt jeden Andersdenkenden Verschwörungstheoretiker“, ergänzte er.
Ihm zu unterstellen, er wolle die Pandemie leugnen, sei absurd. In dem Schreiben ginge es vielmehr darum, einen Zusammenhang von Glaube und Vernunft deutlich zu machen.
Viganò, ein entschiedener Gegner von Papst Franziskus und progressiven Kräften in der katholischen Kirche, sprach in seinem Appell an Amtskirche, Regierungen und Medien von Kräften, die daran interessiert seien, Panik in der Bevölkerung zu erzeugen. Zudem drohe die Gefahr einer „subtilen Diktatur“, sagte er. „Auf diese Weise wollen sie dauerhaft Formen inakzeptabler Freiheitsbegrenzung aufzwingen, die Menschen kontrollieren und ihre Bewegungen überwachen. Diese illiberalen Maßnahmen sind der beunruhigende Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht“, mahnte er.
Müller als „Maaßen der Katholiken“
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hatte sich am Samstag von dem Viganò-Appell distanziert. Die Bewertung der Corona-Pandemie durch die Bischofskonferenz unterscheide sich grundlegend von dem Schreiben, betonte er gegenüber der Tagesschau.
Essens Generalvikar Klaus Pfeffer zeigte sich entsetzt über den Viganò-Appell. Er sei „einfach nur fassungslos, was da im Namen von Kirche und Christentum verbreitet wird: Krude Verschwörungstheorien ohne Fakten und Belege, verbunden mit einer rechtspopulistischen Kampf-Rhetorik, die beängstigend klingt“, schrieb er auf Facebook.
Die Tagesschau bezeichnete Kardinal Müller in einem Kommentar als „Hans-Georg Maaßen der Katholiken“, weil der Würdenträger, ebenso wie der ehemalige Verfassungsschutzpräsident unsanft aus dem Amt enthoben worden sei und daher an einem verletzten Ego leide.
Kardinal Müller war von 2012 bis 2017 Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre. Der Papst lehnte eine Verlängerung seiner Amtszeit ab, nachdem es immer wieder zu Unstimmigkeiten hinsichtlich des Kurses der katholischen Kirche gekommen war. (zit)