BERLIN. Deutsche fürchten sich am meisten vor Terrorattacken. Das ergab die jährliche Umfrage „Die Ängste der Deutschen“ der R+V-Versicherung. „Die Angst vor Terroranschlägen liegt mit deutlichem Abstand auf Platz eins und erreicht mit über 70 Prozent einen der höchsten Werte, der jemals in der Langzeitstudie gemessen wurde“, sagte die Leiterin des R+V-Infocenters, Brigitte Römstedt, am Donnerstag in Berlin. Die Angst vor Terrorismus blieb im Vergleich zum Vorjahr konstant (-2 Prozentpunkte).
An zweiter Stelle liegt mit 62 Prozent die Angst vor politischem Extremismus, die um sechs Prozentpunkte abnahm. Dabei wird nicht unterschieden zwischen Links- und Rechtsextremismus. 61 Prozent der Befragten befürchten Spannungen durch den Zuzug von Ausländern – im Vorjahr betrug dieser Wert 67 Prozent. Ebenso die Angst vor den Kosten für Steuerzahler durch die EU-Schuldenkrise sank von 65 auf 58 Prozent.
Sorgen sind überdurchschnittlich hoch
Auch die meisten anderen Sorgen gingen zurück, wodurch der Angstindex 2017 um sechs Prozentpunkte auf 46 Prozent sank. Daraus zu schließen, daß die Deutschen 2017 sorglos seien, wäre jedoch falsch, warnte der Politologe Manfred Schmidt, der als Berater für die Versicherung tätig ist. „Wer dieses Ergebnis kurzfristig betrachtet, bekommt ein verzerrtes, ja sogar ein irreführendes Bild“, mahnte der Hochschullehrer. Mittel- und langfristig betrachtet seien die größten Ängste der Deutschen „sehr hoch und liegen weit über dem üblichen Niveau“.
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Dafür spreche, daß fast die Hälfte der 20 abgefragten Sorgen die 50-Prozent-Marke überspringt. Die Angst vor Terror, politischem Extremismus sowie vor politischen Spannungen und einer Überforderung durch die Einwanderung seien überdurchschnittlich groß.
Politiker ignorieren einige Ängste der Bürger
Das Streben nach Sicherheit und Stabilität deutet Schmidt als typisch deutsch. Letztlich enthalte die Zusammenstellung der Ängste der Deutschen einen Forderungskatalog an die Politik, der besage: „Das gehört besser geregelt!“
Bei der Umsetzung dieses Forderungskataloges attestiert der Wissenschaftler der Politik durchwachsene Ergebnisse. Während die Ängste im Bezug auf soziale oder ökologische Probleme durchaus aufgegriffen worden seien, würden andere Ängste geradezu ignoriert.
Dies sei vor allem bei der Flüchtlings- sowie der Eurokrise zu beobachten. Die Eurokrise werde aktuell von der Politik praktisch totgeschwiegen, meint Schmidt. „Die Ansicht der Bevölkerungsmehrheit dazu halte ich für realistischer als die der meisten Politiker.“ Die Rede von der „German Angst“ sei eine Fehldiagnose, meint der Heidelberger Politologe. Denn: „Die meisten Ängste haben realen Kern.“ (ls/vo)