Unter äußerem Druck arbeitet man bekanntlich konzentrierter und effizienter. Diese Erfahrung bestätigte sich einmal mehr voriges Wochenende, als in der Fasanenstraße im Berliner Stadtteil Charlottenburg zwanzig Studenten und Jungakademiker in der Bibliothek des Konservatismus (BdK) zusammenkamen, um im Rahmen des mittlerweile 6. Jungkonservativen Seminars gemeinsam über die Bedeutung der Antike für das konservative Denken der Gegenwart nachzudenken.
Unter Anleitung von Egon Flaig, emeritierter Althistoriker an der Universität Rostock, und David Engels, vormals Professor für Römische Geschichte an der Universität Brüssel, tauchten die jungen Leute ein in die Welt der griechischen und lateinischen Antike. Alle Sorgen um die Zukunft der BdK, die ihnen als Ort gemeinsamen Lernens und Diskutierens schon längst vertraut geworden ist, traten für ein paar Tage in den Hintergrund.
Was war geschehen? Der Gemeinsame Bibliotheksverbund (GBV) hatte der Bibliothek des Konservatismus durch eine Rechtsanwaltskanzlei bereits im Sommer zum Jahresende ohne Angabe von Gründen die assoziierte Mitgliedschaft gekündigt (JF berichtete). Die BdK, eine Bibliothek in Trägerschaft der im Jahr 2000 von Caspar von Schrenck-Notzing gegründeten Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung, hatte daraufhin einen Anwalt eingeschaltet, der dem GBV zunächst unter Klageandrohung Gelegenheit gab, die Kündigung zurückzunehmen.
Die Bibliothek hat „einstweiligen Rechtsschutz“ beantragt
Nachdem der GBV eine entsprechende Frist fruchtlos hatte verstreichen lassen, erhob die BdK Klage auf Rücknahme der Kündigung. Zuständig für die Klage ist das Verwaltungsgericht Göttingen. Denn beim Gemeinsamen Bibliotheksverbund handelt es sich um einen Betrieb des Landes Niedersachsen, für den öffentlich-rechtliche Maßstäbe gelten. Mit seinem Bibliotheksverbund, dem sich auch Bibliotheken in privater Trägerschaft anschließen können, übernimmt das Land eine hoheitliche Aufgabe und darf keine Institution aus ideologischen Gründen ausschließen.
Durch die Kündigung steht in Frage, ob und wie die bibliothekarische Arbeit der BdK – Vorträge und Seminare sind vorerst nicht betroffen – im neuen Jahr fortgesetzt werden kann. Der Grund: Praktisch alle wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland gehören einem Bibliotheksverbund an, der die Katalogbestände seiner Mitgliedsbibliotheken verwaltet, die dazugehörige Software für Ausleihe und Mahnwesen zur Verfügung stellt usw. Wird einer Bibliothek seitens des Bibliotheksverbundes die Zusammenarbeit aufgekündigt – was bislang noch nie vorkam –, sind die Bestände der betroffenen Bibliothek fortan nicht mehr im Internet sichtbar. Die Folge: Sie können nicht mehr recherchiert und ausgeliehen werden. Der Bibliotheksbetrieb kommt zum Erliegen.
Damit es so weit gar nicht erst kommt, hat die BdK in der vergangenen Woche bei Gericht „einstweiligen Rechtsschutz“ beantragt. Damit soll sichergestellt werden, daß die Kündigung seitens des Bibliotheksverbundes unwirksam bleibt, bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Er schützt zugleich den GBV, der im Falle eines letztinstanzlichen Unterliegens im Hauptsacheverfahren mit einer beträchtlichen Schadenersatzforderung der BdK rechnen müßte. Gegen die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes hat der GBV Widerspruch eingelegt. Ob das Gericht der BdK den Rechtsschutz gewährt, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest.
Zahlreiche Medien berichten über den Fall
Während die Anwälte vor Gericht noch streiten, scheint die Sache in der öffentlichen Diskussion längst entschieden. Zahlreiche Zeitungen und auch TV-Kanäle berichteten über den Fall – und sieht man einmal von der linksalternativen taz ab, die noch nie über ihren ideologischen Schatten zu springen vermochte, fällt deren Urteil über das Gebaren des GBV durchgängig kritisch, oft sogar deutlich negativ aus.
Schließlich meldeten sich auch Wissenschaftler zu Wort. So forderte das „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“, eine Vereinigung von über 700 Professoren und Hochschullehrern aus ganz Deutschland, die Direktorin des GBV, Regine Stein, am 4. Dezember 2025 in einem offenen Brief auf, die Kündigung der BdK „unverzüglich“ zurückzunehmen. In dem mittlerweile von über 325 Gelehrten unterzeichneten Brief heißt es unter anderem: „Wir, die Unterzeichner, sehen in der unbegründeten Kündigung einer langjährigen Mitgliedsbibliothek einen schwerwiegenden Eingriff in die Wissenschaftsinfrastruktur und mithin die Wissenschaftsfreiheit.“
Das Vermächtnis der Antike wird offenbar ausgeschlagen
Zu den Erstunterzeichnern gehören unter anderem der Historiker Andreas Rödder, der die Denkfabrik Republik21 leitet, der emeritierte Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie Reinhard Merkel der Philosoph und Wirtschaftsethiker Christoph Lütge sowie die Islamforscherin Susanne Schröter. Die Studenten, die am vergangenen Wochenende im Lesesaal der Bibliothek des Konservatismus arbeiteten, reagierten auf den Zuspruch der unterzeichnenden Professoren mit Erleichterung.
Gerade hatte einer der Unterzeichner, Egon Flaig, noch ein zentrales Vermächtnis der griechischen Antike für die Gegenwart beschworen: Daß menschliche Gemeinschaften aus sich selbst heraus in der Lage seien, eine verbindliche Ordnung zu schaffen. Doch erhoben sich dagegen sogleich Bedenken: Daß dieses Vermächtnis der Antike vom Menschen der Gegenwart offenbar ausgeschlagen werde. Es ist wohl zu früh, das zu entscheiden. Die Zeit wird es weisen.





