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In Martin Scorseses Dokumentarfilm „No Direction Home“ postuliert Bob Dylan, ein Künstler sei „immer im Zustand des Werdens“. Seine Worte hätten ebensogut auf den englischen Indie-Veteran Robyn Hitchcock gemünzt sein können. Dieser freilich drückt das etwas anders aus: „Ich werde wahrscheinlich niemals auf Zeitreise gehen, Kranke heilen oder frei schweben, wie es als Junge mein angeborener Ehrgeiz war. – Aber ich habe mir beigebracht, Lieder zu schreiben und auf der Bühne vorzutragen, und ich bin immer noch dabei, diese Fähigkeiten zu entwickeln (…) Natürlich wird deine Arbeit mit zunehmendem Alter nicht zwangsläufig besser; sie mutiert bloß.“

Die einzige Konstante während Hitchcocks gesamter musikalischer Laufbahn, könnte man sagen, war eben der Einfluß Dylans, der 2002 in einer Doppel-CD mit Live-Mitschnitten von Cover-Versionen des legendären Musikers mit dem schlichten Titel „Robyn Sings“ gipfelte. Seit er sich in den frühen 1970er Jahren in der Folkszene um Cambridge einen Namen machte, ist der Sänger und Liedermacher immer wieder mutwillig gegen den musikalischen Strom angeschwommen.

1976, im Morgengrauen der Punk-Revolution auf der Insel, avancierte er zum Sänger der Soft Boys, einer Psychedelic-Garage-Kombo, die eher Syd Barrett die Treue hielt als Johnny Rotten. Als im Folgejahrzehnt die Tanzflächen der Indie-Clubs im monotonen Takt industrieller Post-Punk-Klänge pulsierten, hatte Hitchcock längst mit seiner kultig-verschrobenen Mischung aus Pop, Folk, Psychedelia und äußerst eigenartigen Texten eine treue Gefolgschaft um sich und seine zeitweilige Band The Egyptians geschart. Und neuerdings sind auf der musikalischen Palette des Briten auch Klangfarben des Alternative Country zu finden. Nicht zufällig entstand „Spooked“ (2004) in Zusammenarbeit mit den einschlägig bekannten Musikern Gillian Welch und David Rawlings in Nashville. Zwei Jahre später folgte „Olé! Tarantula“, Hitchcocks erstes Album mit The Venus 3.

Die neue Scheibe kombiniert disparate Elemente früherer Werke von den Wurzeln im Folk über Hitchcocks ironisch-surrealistischen Umgang mit dem Gitarren-Pop der Byrds und anderer Ikonen der 1960er. „Goodnight Oslo“ (Yep Roc Records) wurde teils in Hitchcocks Londoner Haus, teils in Studios in Tucson und Seattle aufgenommen – wiederum mit The Venus 3, einer Art „Supergroup“ bestehend aus Mitgliedern von R.E.M. sowie Hitchcocks langjährigem Begleiter Peter Buck (Gitarre), Scott McCaughey (Baßgitarre) und Bill Rieflin (Schlagzeug). In den schillernden Gesangsharmonien bringt unter anderen Colin Meloy von den Decemberists seine Stimme zu Gehör. Das Resultat ist eine seiner besten Platten der vergangenen Jahre – und eine der straffsten seit dem Höhepunkt seiner Laufbahn Mitte der achtziger Jahre.

Das Titel- und Glanzstück des Albums, mit dem „Goodnight Oslo“ schließt, geht auf eine Reise zurück, die Hitchcock 1982 mit Morris Windsor von seinen Soft Boys in die norwegische Hauptstadt unternahm, und evoziert haargenau jene nicht allzu ferne Vergangenheit, als Stücke wie das wunderbare „Brenda’s Iron Sledge“ oder „My Wife and My Dead Wife“ aus dem psychedelischen Strudel seiner Phantasie schäumten. Des Sängers unverkennbare verträumte Stimme schwingt sich über einer glockenhellen zwölfsaitigen Rickenbacker zu immer neuen Höhenflügen hinauf.

Hitchcock rockt (freilich sehr sachte) ab mit der Glamrock-Nummer „Saturday Groovers“, posiert als Power-Popper („Your Head Here“) und frönt seiner neuen Lust am Country-Rock („Hurry for the Sky“). „Goodnight Oslo“ zeigt den ewig werdenden Künstler als Meister über seine Mutationen.

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