Der Schock über den Bankenkrach hat antikapitalistische Ressentiments wiederbelebt, die man lange für tot hielt. Vielleicht war das aber auch nur Wunschdenken, oder man hatte im Hause Ullstein eine gute Antenne für das, was kommen wird. Jedenfalls bringt der Verlag zur Herbstsaison ein Buch von Christian Rickens mit dem Titel „Links“. Auf dem Umschlag sieht man die geballte Faust gelb auf Rot, als symbolischen Ausdruck für das, was die Unterzeile verheißt: das „Comeback eines Lebensgefühls“. Das Zeigen der Faust ist als Geste ähnlich elementar und aus sich selbst heraus verständlich wie die geöffnete oder die erhobene Hand. Für das eine wie das andere Parallelen gibt es bei unseren nächsten Verwandten im Tierreich: Die geballte Pfote signalisiert bei Schimpansen wie bei Menschen Angriffs- und Kampfbereitschaft. Der Ursprung als politisches Symbol der Linken ist allerdings nur noch schwer feststellbar. Wahrscheinlich gibt es einen Zusammenhang mit der Entwicklung einer spezifischen Ikonographie der sozialistischen, dann der kommunistischen Bildpropaganda in der Zwischenkriegszeit, die oft den Revolutionär mit erhobener oder niedersausender Faust zeigte oder eine überdimensionale Faust allein in den Mittelpunkt stellte; viele Szenen in Sergej Eisensteins Film „Panzerkreuzer Potemkin“ können als typisch gelten. Das Grüßen mit erhobener Faust oder das Erheben der Faust beim Absingen der Internationale ist in kommunistischen Parteien jedenfalls erst in der Zeit nach der Oktoberrevolution üblich geworden; ähnliche Bräuche außerhalb dieses Lagers dürften dem kommunistischen Muster nachgebildet worden sein, etwa bei den französischen Sozialisten oder im Kampfverband der „Eisernen Front“ während der Weimarer Republik, deren Anhänger im Gegensatz zu den Kommunisten den Arm streckten und nicht anwinkelten, wenn sie mit der Faust grüßten. Für die Durchsetzung des Symbols in der kommunistischen Bewegung spielte die Wehrorganisation der KPD, der Rote Frontkämpferbund (RFB), eine ausschlaggebende Rolle. Vor seiner Gründung im Jahr 1924 läßt sich die Faust als Symbol jedenfalls überhaupt nicht nachweisen. Der RFB hat die Faust in Rot zu seinem Emblem gemacht. Es blieb sogar nach dem Verbot des Verbandes im Jahr 1929 auf Abzeichen oder Fahnen erhalten und spielte nach 1933 eine gewisse Rolle, da die „Parole Hannen Alt“ — die Hannen-Brauerei führte eine Faust als Firmenzeichen — als geheimes Erkennungssignal von Kommunisten in der Illegalität fungierte. Im Zeichen eines militanten „Antifaschismus“ verbreitete sich das Faustsymbol sonst vor allem während des Spanischen Bürgerkrieges und wurde von Kommunisten wie überhaupt allen Anhängern der Linken als ausgesprochener Gegengruß zum faschistischen — dem erhobenen Arm — betrachtet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lebte das Faustsymbol im Kommunismus weiter, breitete sich aber auch in den neuen linken Bewegungen der sechziger und siebziger Jahre aus. Das hatte einerseits mit proletarischer Nostalgie zu tun — deshalb zeigten die portugiesischen Sozialisten eine Faust mit einer Rose, was andere sozialistische Parteien oder Teilverbände bis hin zu den westdeutschen Jusos prompt kopierten — und ging andererseits auf die Propagandaformen der Befreiungsbewegungen der Dritten und die Emanzipationsbewegungen der Ersten Welt zurück. So war die gereckte Faust ein typisches Symbol vieler Kampforganisationen in Afrika, wie etwa des Afrikanischen Nationalkongresses, aber auch der Black Panther in den USA. Es erregte erhebliches Aufsehen, als bei den Olympischen Spielen in Mexiko-Stadt 1968 zwei schwarze Athleten aus den Vereinigten Staaten bei der Siegerehrung ihre Fäuste erhoben. Eine vollständige Monopolisierung des Faustsymbols ist der kommunistischen Linken also nicht gelungen. Das erklärt auch, warum es bis heute in allen möglichen Zusammenhängen Verwendung findet und in militanten Bewegungen ganz verschiedenen Zuschnitts benutzt wird, von der nationalistischen jüdischen Kach, die eine schwarze Faust vor einem gelben Davidstern als Abzeichen führt, der gegen das serbische Milosevic-Regime gerichteten Bewegung Otpor („Widerstand“) bis zur georgischen Kmara („Es ist genug!“), die an der „Rosenrevolution“ teilgenommen hat. Bild: Faust auf dem Buch „Links!“ von Christian Rickens Die JF-Serie „Politische Zeichenlehre“ des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.
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