Nichts bleibt, wie es war, auch nicht die FAZ. Zwar ist sie noch immer die beste deutsche Tageszeitung, aber ihre tägliche Lektüre ist längst kein Muß mehr. Auch der gelegentliche Kauf garantiert dem Leser keinen automatischen Erkenntnisgewinn oder freudige Überraschungen, sondern sorgt mitunter für ein blaues Wunder. So geschehen am 7. August, als ihm der fast ganzseitige Feuilletonartikel „Dies Erbe geht nicht nur uns an“ aus der Feder des für Kunstfragen zuständigen Redakteurs Niklas Maak entgegensprang. Er enthält, kurz gesagt, eine wütende Attacke gegen deutsche Museumsdirektoren und Auktionshäuser, die sich gegen die Welle neuer Restitutionsforderungen an sogenannter NS-Raubkunst wehren und denen Maak deswegen Amoralität bzw. historische Uneinsichtigkeit unterstellt. Die Wiedergutmachungs- und Entschädigungszahlungen in schwindelerregender Höhe, die oft komplizierten, uneindeutigen Einzelnachweise und Rechtslagen, das Bedürfnis schließlich, nach über 60 Jahren zu einem Rechtsfrieden zu kommen, werden von dem 35jährigen Maak vom Tisch gewischt mit dem Argument, es gehe darum, „wie ernst man seine historische Verantwortung nimmt“. Durch den Geschichtsunterricht hinreichend indoktrinierte Achtkläßler oder die New Yorker Anwaltskanzleien, die solche Fälle vor Gericht ausfechten und sich damit goldene Nasen verdienen, hätten das nicht schlichter formulieren können. Als redaktioneller Beitrag der „Zeitung für Deutschland“ aber ist dieses Pamphlet trotz heruntergeschraubter Erwartungen erstaunlich. Es verweist auf ein grundsätzliches Problem der Zeitung. Als die FAZ im Oktober 2007 mit ihrer Layout-Reform sich auf vordergründige Visualisierung und Häppchen-Journalismus zubewegte, hob in Teilen der Leserschaft ein Wehklagen an über diesen Kniefall vor dem Zeitgeist. Dabei wurde übersehen, daß die FAZ in ihrem äußeren Erscheinungsbild nur nachvollzog, was inhaltlich längst stattgefunden hatte. Der überdurchschnittliche Umfang ihrer Texte war sachlich nur noch selten gerechtfertigt und beruhte häufig auf Redundanz und eitler Selbstbespiegelung. Sicher gibt es im Politikteil noch immer glänzende Analysen, aber der weite historische Horizont und die rechtsphilosophische Tiefenschärfe, die etwa für den legendären Innenpolitik-Chef Friedrich Karl Fromme kennzeichnend gewesen waren, werden selten einmal erreicht. Gerade wenn ihre Redakteure sich für Konservatives einsetzen – womit allen Ernstes CDU/CSU gemeint sind -, hat man den Eindruck, es seien bloß noch Frommes für Arme am Werk. In der Causa des verhinderten thüringischen Kulturministers Peter Krause positionierte die Zeitung sich zwar eindeutig, aber viel zu spät und lieferte ein Beispiel für die Ängstlich- und Zögerlichkeit des bürgerlichen Restbestandes im deutschen Journalismus. Wenn ihre Feuilleton-Redakteure sich Themen von gesellschaftspolitischer Relevanz anzunehmen versuchen, hat man den Eindruck, daß sie unfreiwillig die Pop- und Fräuleinwunder-Literatur der neunziger Jahre fortschreiben. Diese hatte sich geschmäcklerisch an Äußerlichkeiten delektiert, war leider erfahrungslos und hatte nichts von Belang zu sagen. Mehrfach wurde jetzt Stilkritik an dem früheren SPD-Bundesminister Wolfgang Clement geübt wegen dessen Äußerungen über die hessische SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti. Solche Triumphe sind leicht errungen, denn natürlich ist Clement eine ziemlich mediokere Figur, aber Ypsilanti, die unter Altkanzler Helmut Schmidt bestenfalls zum Kaffeekochen herangezogen worden wäre, überragt er an wirtschaftspolitischer Kompetenz allemal. Zweitens wäre darüber nachzudenken, ob sich mit der Umwandlung der strukturellen rot-rot-grünen Mehrheit in eine politische nicht die Heraufkunft einer neiderfüllten, auf Umverteilung fixierten Pöbelherrschaft ankündigt, die im übrigen in der Logik einer mehr sozial- als nationalstaatlich fundierten Staatsethik liegt. Doch nichts davon! Und Kunstredakteur Maak hat zuletzt (am 9. August) im Berliner Neubau der Heinrich-Böll-Stiftung das „Zeichen eines ideologischen Wandels“ der Grünen erkennen wollen: weg vom „verschreckten Öko“, hin zum „postideologischen Öko-Tech“ und zur „utopischen Diskursgesellschaft“ nach dem Vorbild der „Schule von Athen“. Ströbele, Fischer und Claudia Roth als die Platon-Schüler der Gegenwart? Und ist das Gebäude, das Raum bieten soll für 185 Mitarbeiter, nicht eher das protzige Symbol eines fett und parasitär gewordenen Parteienstaats? Wo soviel Vakuum im politischen Denken herrscht, wächst das Bedürfnis nach einem sinnstiftenden Element, das es auffüllt. Für Maak ordnen sich alle Fragen im Streit um die „Raubkunst“ der Tatsache unter, daß „die Folgen des Holocaust bis weit in die Biographien der Nachkommen reichen“. Daher stehe es einem „deutschen Kunsthändler (…) nicht gut zu Gesicht, in dieser Art über meist jüdische Anspruchssteller und ihre Anwälte zu reden“. Maak attackiert hier namentlich den Chef des Berliner Auktionshauses Griesebach, Bernd Schultz, der im Januar 2007 im Kanzleramt folgendes gesagt hatte: „Was skrupellose, ausgebuffte Restitutionsanwälte in den Vereinigten Staaten, aber auch in Deutschland jetzt (…) machen wollen, unter der Parole: ‚die letzten Kriegsgefangenen aus dem Zweiten Weltkrieg zu befreien‘, ist die Öffnung aller deutschen Museen als Nachschub für den internationalen Kunstmarkt und eine höchst vermögende Sammlerschaft. Man sagt ‚Holocaust‘ und meint Geld. In New York gibt es dafür einen Begriff: Shoa Business. Mit der Behauptung, in deutschen Museen wisse man nicht, daß ‚Blut an den Bildern klebt‘, wird schamlos das historische Verantwortungsgefühl der Bundesrepublik Deutschland und der für sie handelnden Menschen instrumentalisiert. Man darf sich davon nicht beirren lassen.“ Dem hält Maak entgegen, „daß die New Yorker Anwälte Menschen und ihre Nachkommen vertreten, deren ganzes Leben durch den Nationalsozialismus weit mehr als desavouiert wurden“. Unausgesprochen setzt er das Singularitätsdogma voraus und gibt sich damit als Träger eines BRD-typischen, verdinglichten Bewußtseins zu erkennen. Mit Schreibern wie Niklas Maak hat die „Zeitung für Deutschland“ gute Chancen, zum Verlautbarungsorgan in den geistigen Grenzen der Bundesrepublik zu werden. Abbildung: Ausriß aus der „FAZ“: Feuilleton auf dem Niveau von Pop-Literatur
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