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Kindeswohl statt Ideologie

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Daß er nicht unbedingt ein glühender Fan der durch Talkshows tingelnden Familienministerin Ursula von der Leyen – der „blondesten Versuchung, seit es dieses Lächeln gibt“ – und ihrer vorgeblich so modernen „Familienpolitik“ ist, daraus macht der konservative Journalist Martin Lohmann kein Hehl. Vielmehr geißelt er den einer Mixtur aus feministischen und ökonomischen Motiven entspringenden Politikansatz als „strukturelle Rücksichtslosigkeit“ einer ganzen Gesellschaft gegenüber ihrer eigenen Zukunft, sprich den Kindern. Ein solches Politikverständnis ist vom bevorzugten Idealbild der berufstätigen Mutter geprägt. Grundlegend für diese in seinen Augen irreführenden Entwicklungen sind ein seit vierzig Jahren in die Mentalitäten eingepflanztes emanzipatives Gedankengut sowie allgegenwärtige Denkverbote einer in Medien und Politik implementierten politischen Korrektheit. Gerade als intimer Kenner des medialen Binnenlebens weiß der Verfasser – er war langjähriger Fernsehjournalist und Chefredakteur der Koblenzer Rhein-Zeitung – davon sicherlich ein Lied zu singen. Um so bedauerlicher mutet an, daß Lohmann deren Rolle nur ansatzweise thematisiert. Dabei fiel Printmedien und Fernsehen doch ein konstitutiver Part bei dem „Projekt“ zu, traditionelle Familien- und Rollenbilder wirkungsvoll zu desavouieren. Statt dessen wurde etwa das Hohelied eines vermännlicht-dominanten, amazonenhaften oder sexuell provokanten Frauenbildes gesungen und diesem eine Leitbildfunktion zugeschrieben – und nicht etwa der im Familienkontext erziehenden Mutter. Nicht zuletzt derartige mentalen Einflüsterungen haben im politisch kulturellen Vorfeld maßgeblich mit zur Zerrüttung von Familien und hieraus resultierenden Scheidungsraten beigetragen. Dies wiederum hatte oft überhöhte Unterhaltsverpflichtungen primär für Väter zur Folge, denen allerdings gleichzeitig das legitime Besuchsrecht ihrer Kinder in der Praxis mütterlicherseits leicht verwehrt werden konnte. Diese Aspekte hat Lohmann in seinem von spürbarem Familienenthusiasmus getragenen Plädoyer leider allzu unterbelichtet gelassen. Nichtsdestotrotz stellt seine engagierte Einforderung einer mentalen Korrektur der „Familienpolitik“ ein bitter notwendiges Gegengewicht zu einer ansonsten medial einseitig glorifizierten frauenpolitischen Sichtweise im Stile van der Leyens dar. Stellenweise hätte man sich gegenüber der herrschenden feministischen Ideologie und deren Protagonistinnen noch härtere Worte der Kritik gewünscht. Hier jedoch sieht sich der Autor vielfach – was übrigens ein Markenzeichen insbesondere konservativer Geister sein mag ist – kavalierhafter Rücksichtnahme und einem sprachlich moderaten Umgangston verpflichtet. Seine Diktion ist weitgehend von wohlgesetzter Höflichkeit durchdrungen. Linke oder feministische Propagandistinnen pflegen demgegenüber mit aggressiv-plakativen Äußerungsformen bekanntermaßen weitaus weniger Hemmungen zu haben. Völlig zu Recht mahnt der Autor die „späten Kosten“ der zurzeit dominanten Familien- und Erziehungsphilosophie an, die – wie so viele gesellschaftliche Großexperimente der Vergangenheit – letztlich in eine Sackgasse münden. Denn auch jetzt befindet sich der Zeitgeist neuerlich in der Falle eines zwar politisch opportunen, gleichwohl aber verhängnisvollen Kurzfristdenkens, welches die langfristig negativen Konsequenzen bewußt ausblendet. Für Lohmann sind dies etwa emotionale Stabilitätsdefizite oder mangelnde spätere Bildungsfähigkeit der Kinder, welche die zuvörderst in den ersten drei Lebensjahren so unersetzliche Geborgenheit in der persönlichen Betreuung durch die leibliche Mutter entbehren müssen. Dieser seitens un­ideologischer hirnphysiologischer Forschung bestätigte Zusammenhang wird seitens eifernder Gender-Aktivistinnen um so kunstvoller dekonstruiert oder absichtsvoll verkannt. In Zuspitzung von Lohmanns Analyse könnte man auch fragen, inwieweit sich eine künftige, um das kindliche Grundrecht auf Geborgenheit betrogene Generation einmal an der Gesellschaft rächen könnte. Hinsichtlich praktischer Lösungsansätze zur Erreichung echter elterlicher Wahlfreiheit und Wiedereinsetzung von elterlichem Erziehungsrecht – ohne einseitige Präferierung mütterlicher Erwerbsarbeit – erhebt Lohmann teils bekannte Forderungen: etwa das Ansinnen, der tatsächlichen Betreuungsleistung adäquate und alle Kinder gleichermaßen berücksichtigende Erziehungsgehälter zu vergeben. Oder „Erziehungsschecks“ auszustellen, welche selbstbestimmt für externe oder selbst erbrachte Erziehungsleistungen (Umwandlung in Kinderfreibeträge oder Barerstattung) verwertbar sind. Auch sind die freilich oft wiederholten Forderungen nach einem Familienwahlrecht sowie einer ermäßigten Mehrwertsteuer auf typische Familiengüter auf seiner alternativen Agenda zu finden. Für Lohmann ist dies eine Politik, der sich zwar als konservativ, mitnichten aber als „rückständig“ beschreiben läßt. Vielmehr sieht er darin ein zukunftsweisendes Konzept. In Ergänzung zu Lohmanns Postulat bedeutet dies auch: Wenn man sich verirrt hat, darf man nicht zu stolz sein, bis an den Punkt zurückzuschreiten, an dem der Irrweg eingeschlagen wurde. Foto: Krippenerziehung: Um das Grundrecht auf Geborgenheit betrogen Martin Lohmann: Etikettenschwindel Familienpolitik. Ein Zwischenruf für mehr Bürgerfreiheit und das Ende der Bevormundung. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2008, gebunden, 222 Seiten, 19,95 Euro

Frisch gepresst Leopold Ziegler. Mitunter verliert der Lyriker Timo Kölling („Gebete aus Stein“, 2007) etwas den Faden. Dann schäumt er gegen Armin Mohler und Karlheinz Weißmann, gegen Hans-Dietrich Sander, dessen „Auflösung aller Dinge“ (1988) er zu den „diabolischsten Hervorbringungen des Antisemitismus der ‘neuen Rechten’“ rechnet, überhaupt gegen „das blanke Nichts“ der „gesamten Terminologie der Rechten“. Wenn er sich zwischendurch wieder emotional einpegelt, versucht er den zentralen Einfluß Leopold Zieglers auf Ernst Jüngers „Arbeiter“ und die Technikkritik Friedrich Georg Jüngers herauszuarbeiten. Ziegler (1882-1958) gehörte zu den zahllosen auf „Wiederverheiligung“ versessenen Mythophanten nach 1900, die sich ihrer privaten Telefonleitung zum Absoluten gewiß waren. Köllings durchaus plausiblen Argumenten könnte man leichter zustimmen, wenn – abgesehen von nervigen Bezugnahmen auf den überschätzten Schwafelgrafen Walter Benjamin – sein penetrant affirmatives Verhältnis zu einem hochspekulativen Kopf wie Ziegler den postmodern-skeptischen Leser nicht immer wieder vergrätzen würde. Wie sein Meister redet Kölling ernsthaft von „überzeitlicher Wahrheit“, die sich jederzeit aktualisieren könne (Leopold Ziegler. Eine Schlüsselfigur im Umkreis des Denkens von Ernst Jünger und Friedrich Georg Jünger, Königshausen&Neumann, Würzburg 2008, broschiert, 171 Seiten, 26 Euro).   Hochschulen 1933 bis 1945. Manche Tagungsergebnisse, wenn sie denn endlich publiziert werden, vermitteln den Eindruck, als hätten die Veranstalter den Referenten ein wohltemperiertes Wochenende in schöner Umgebung gönnen wollen. Im Februar 2006 in Königswinter etwa, wo die „Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944“ zum Thema „Universitäten und Studenten im Dritten Reich. Bejahung, Anpassung, Widerstand“ eingeladen hatte. Das gedruckte, von Joachim Scholtyseck und Christoph Studt herausgegebene Ergebnis (Lit Verlag, Berlin 2008, broschiert, 191 Seiten, 19,90 Euro) vermag diesen Eindruck nicht zu erschüttern. Von „Widerstand“ ist wenig die Rede, ein paar Seiten zur Weißen Rose, einige Fundstücke über den studentischen Widerstand an der Universität Freiburg, das war’s. Michael Grüttner und Anselm Faust kamen mit Exzerpten aus ihren wohlbekannten Publikationen zu den „Säuberungen“ 1933 bzw. zum NS-Studentenbund an den Rhein, der Bonner Ordinarius Klaus Hildebrand wartete mit Gemeinplätzen zu „Universitäten im Dritten Reich“ auf, und Ralf Forsbach nahm sich nochmals des Dauerlutschers „Thomas Mann und die Universität Bonn“ an. Als originären Forschungsbeitrag kann man in diesem Band nur Frank-Lothar Krolls Porträt seines Lehrers, des Kölner Kunsthistorikers Heinrich Lützeler, ad notam nehmen.

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