Die Landschaft der Unterhaltungsmusik hat im Verlauf der letzten drei Jahrzehnte eine seismische Umwälzung erlebt, die sich im wesentlichen innovativen Bewegungen wie Punk, Grunge und Hip-Hop verdankte. Doch bislang fanden Dinosaurier, die der klassischen Dreifaltigkeit aus Blues, Rock und Boogie treu blieben, in dieser neuen Welt immer genug Lebensraum. Die Siebziger-Jahre-Stadionrocker Foghat und ihre ebenfalls mit zweifachem Platin ausgezeichneten Nachfolger Great White sind Meister dieses ungeschliffenen Rock’n’Roll mit Boogie-Einschlag. Beide Bands feiern ihr langes Überleben in einem notorisch kurzatmigem Geschäft nun mit Jubiläumsalben, von denen so manche Jungspunde mit Gitarre einiges lernen könnten. „Live II“ (Locomotive), ein Konzertmitschnitt von Juli 2005, erscheint zur Feier des 30. Jahrestags von Foghats erfolgreichstem Album „Foghat Live“ (Bearsville, 1977). Obwohl die Band, die einst aus der Asche der britischen End-Sechziger Blues-Formation Savoy Brown erstand, seither sowohl den Tod ihres Sängers und Gitarristen „Lonesome“ Dave Perrett wie des Gitarristen Rod Price zu betrauern hatte, hat sie nichts von dem unverwechselbaren harten Sound verloren, mit dem die Neuankömmlinge einst die amerikanischen Charts stürmten. Der Opener „Night Shift“, der R&B-Fetzer „Fool for the City“ und die Neun-Minuten-Version des stampfenden Gitarrenrockers „Slow Ride“ beweisen das zur Genüge. Ted Nugents ehemaliger Sänger Charlie Huhn und Molly Hatchets Ex-Gitarrist Bryan Bassett sowie die Foghat-Veteranen Roger Earl (Schlagzeug) und Craig MacGregor (Baß) geben alles und spielen einen straffen Sound, der von mitreißenden Live-Auftritten zeugt. Ihrer Cover-Version von Al Greens „Take Me to the River“ oder der hervorragenden Interpretation von „Terraplane Blues“, einem Stück der Delta-Blues-Legende Robert Johnson, hört man den Abend für Abend auf der Bühne vergossenen Schweiß förmlich an. Aufnahmen aus dem Proberaum wie das allzu glatt produzierte „Chevrolet“ vom 1978er Album „Stone Blue“ oder das bluesige „I Feel Fine“, die der Doppel-CD als Bonusnummern hinzugefügt wurden, freilich fehlt jener Adrenalinstoß, den eine routinierte Band offensichtlich braucht, um auf Endlos-Tourneen zu Glanzleistungen aufzuspielen. „Back to the Rhythm“ (Frontiers), Great Whites erstes Studioalbum seit acht Jahren, kommt dafür mit der geballten Wucht eines Live-Konzerts daher. Ihr 25jähriges Jubiläum begehen die Jungs mit schnörkellosem, hartem Bluesrock, der die überproduzierten Gitarrenexzesse der Vergangenheit vergessen macht. Die neue Scheibe markiert zugleich eine Rückkehr zur klassischen Besetzung ihres Kassenschlagers „Twice Shy“ (Capitol, 1989). Ein Benefiz-Konzert für Seehunde war es, das im vergangenen Januar Sänger Jack Russell, Mark Kendall (Gitarre), Michael Lardie (Gitarre/Keyboards), Audie Desbow (Schlagzeug) und Sean McNabb, der Tony Montana als Baßgitarrist ablöste, nach über fünfjähriger Pause wieder zusammenführte. Die meisten der von Lardie produzierten und gemeinsam mit Russell geschriebenen Stücke sind textlich düsterer und stärker autobiographisch geprägt als auf früheren Alben. Bis auf zwei Überbleibsel von einer abgebrochenen Studioaufnahme aus dem Jahr 2000, den kraftvollen Opener „Back to the Rhythm“ und das sanfte Liebeslied „Play On“, handelt es sich durchweg um brandneue Titel, Frontberichte vom wildbewegten Leben eines echten Rockers. Neben dem üblichen Ärger mit der Drogensucht wären da die tragischen Ereignisse vom 20. Februar 2003, als die pyrotechnische Schau der Band, die damals als Jack Russell’s Great White firmierte, ein Feuer in einem Nachtclub auslöste, bei dem über hundert Menschen ums Leben kamen. Ihnen ist dieses Jubiläumsalbum gewidmet.