In diesem Jahr präsentiert die Frankfurter Buchmesse Korea als Gastland. Daß man nicht zwischen Nord- oder Südkorea trennt, spricht für das politische Gespür der Messebetreiber gegenüber der auch nach über fünfzig Jahren an ihrer Einheit festhaltenden Kulturnation, obwohl nur die Republik Korea die Nation vertritt und die nördliche Volksrepublik beleidigt in Pjöngjang zurückbleibt. Dafür lassen es die Südkoreaner richtig krachen und investieren mit über 15 Millionen Euro mehr als jedes Gastland zuvor für die kulturelle Selbstdarstellung. Und das wohl nicht zu Unrecht, ist die koreanische Literatur den allermeisten Deutschen wenig vertraut. Ganz anders verhält es sich übrigens mit der Kenntnis der Koreaner über unsere Dichter und Denker, die auf der ostasiatischen Halbinsel eine ganz besondere Verehrung erfahren – die Klassiker bis hin zu Thomas Mann natürlich. Genauso unbekannt wie die koreanische Affinität zur Literatur dürfte auch die Tatsache sein, daß die deutsche Sprache bis noch in die jüngste Vergangenheit einen hohen Stellenwert hatte. Diese wurde von Schülern und Studenten nach Englisch als häufigste Fremdsprache beherrscht. So stellte es bis in die jüngste Vergangenheit keine Ausnahme dar, daß des Deutschen mächtige junge Koreaner ins Land von Goethe, Schiller und Heine kamen und auf überraschend unwissende Gleichaltrige stießen, denen allenfalls noch die Namen der Literaten geläufig waren. Heute scheint sich die erfreuliche Tendenz nicht mehr fortzusetzen, vielleicht auch wegen ähnlicher kulturpolitischer Anstrengungen wie im Osteuropa der neunziger Jahre, wo Goethe-Institute an Deutschland interessierte Rumänen oder Balten mit Werbe-Aushängen für das Erlernen des Englischen verschreckten. Es bleibt das Wirtschaftliche: Auf diesem Sektor wird das koreanische Interesse ungebrochen bleiben. So wie sich der ökonomische und infrastrukturelle Aufstieg vor vierzig Jahren an der Bundesrepublik orientierte, sind Zeiten absehbar, wo das frühere Schwellenland sich den Herausforderungen neuer „Tigerstaaten“ im globalen Wettbewerb stellen muß. Unsere Fehler werden die Koreaner dann – ähnlich bei einer erhofften Wiedervereinigung – wohl nicht wiederholen.