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Aber etwas fehlt

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Das Tonhalle-Orchester Zürich hat eine lange Richard-Strauss-Tradition. Ihm ist das späte Oboenkonzert gewidmet, und die Studie für 23 Solostreicher „Metamorphosen“ wurde unter Paul Sacher in der Tonhalle Zürich uraufgeführt, wenn auch nicht vom Tonhalle-Orchester. Von 1965 bis 1972 war der große Rudolf Kempe Chefdirigent, der seine maßstabsetzenden Aufnahmen Strauss’scher Orchesterwerke dann allerdings mit der Dresdner Staatskapelle gemacht hat. Seit 1995 der US-Amerikaner David Zinman das Tonhalle-Orchester leitet, hat es seine Medienpräsenz merklich gesteigert. Nach einer vielbeachteten Gesamteinspielung der Symphonien Beethovens wurde im Januar 2000 mit der Aufnahme Strauss’scher Orchesterwerke begonnen, ein Projekt, das nunmehr geschlossen vorliegt (BMG/Arte Nova 74321 98495 2; 7 CDs). Dabei handelt es sich allerdings nicht um das gesamte, sondern um eine für repräsentativ gehaltene Auswahl aus dem Orchesterwerk, welche neben den sinfonischen Dichtungen noch einiges Frühwerk sowie aus dem Spätwerk die „Vier letzten Lieder“, das Oboenkonzert und die „Metamorphosen“ bietet. Das „Parergon zu Sinfonia domestica“ wurde mit dem finnischen Pianisten Roland Pöntinen als Solisten eingespielt, nicht aber der „Panathenäenzug“ für Klavier und Orchester, beide geschrieben für den Pianisten Paul Wittgenstein, der im Ersten Weltkrieg den rechten Arm verloren hatte. Das „Festliche Präludium für großes Orchester und Orgel“ zur Einweihung des Wiener Konzerthauses 1913, ein Riesenschinken für Riesenorchester, kommt endlich einmal zu – wenn auch zweifelhaften – Ehren, doch um die Festmusik zur Feier des 2.600jährigen Bestehens des Kaiserreichs Japan von 1940 drückt man sich peinlich herum. Schwerer wiegt der Verzicht auf die Orchestersuiten aus den Balletten und Opern, deren einige zum Verständnis des Symphonikers Strauss unabdingbar sind. Wie es an dem Mut gebrach, sich jenseits der ausgetretenen Spur der immergleichen Werke dem ganzen Richard Strauss zu nähern, so fehlte offenbar auch der Wille zu neuen Interpretationen, die das Zürcher Unternehmen vor den zahllosen vorliegenden irgendwie begründen könnten. Unter David Zinman referiert das Tonhalle-Orchester die großen symphonischen Dichtungen eher, als daß es sie auslegte. Einige Episoden sind wunderschön ausgehört, doch ein irgend spezifischer Gesamteindruck will und will sich dem Gehör nicht einprägen. Das drastische Morendo am Ende des letzten der vier Lieder „Im Abendrot“ etwa wirkt bloß manieriert, weil Melanie Diener ihren Sopran weitestgehend instrumental führt, die individuelle Stimme in den Liedern vorher dem Orchesterklang gar nicht gegenübergetreten war, in den sie nun wiederum aufgehen, ersterben sollte. Mit den „Metamorphosen“ treiben die Solostreicher des Tonhalle-Orchesters ein ziemlich selbstsicheres, ja, mondänes Spiel, dem man die unsagbare Trauer des Komponisten über die Vernichtung seiner Opernhäuser und Städte kaum mehr anhört. Dabei würde erst vor dem Hintergrund abgrundtiefer Verzweiflung die gesuchte Klassizität des Oboenkonzerts als Rettungsanker verständlich, seine bukolische Heiterkeit zu ihrem Recht kommen. Solist des übrigens dem Tonhalle-Orchester gewidmeten Werkes ist dessen Solo-Oboist Simon Fuchs, Solist der frühen E-Dur-Romanze ist dessen erster Solo-Cellist Thomas Grossenbacher, und auch die Solisten in den großen symphonischen Dichtungen, Konzertmeister Primoz Novsak und Solobratscher Michel Rouilly, gehören selbstverständlich dem Tonhalle-Orchester an. Alles in allem glänzend gespielt von allen. Aber etwas fehlt: Verwandlung.

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