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Adorno von rechts gelesen

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Mich wundert zuweilen, weshalb die intellektuelle Rechte sich an einem recht eng gefaßten Sektor philosophischer Literatur bedient, meist jener, die religiös oder mindestens metaphysisch raunt. Mag sein, daß ich das aus meinem Abseits ungenau wahrnehme, mag auch sein, daß es im Politischen immer weniger um die Fragen nach den letzten Dingen beziehungsweise um Grundsätzliches oder Wesenhaftes geht, sondern nur noch um immer schnelläufigere Sophismen Manipulationen.

Dabei kann man tiefe Einblicke jenen Lektüren verdanken, die die Linke als ihre Hauspostillen ansieht. Liest man diese Werke neu, so gewinnt man den Eindruck, als hätte die akademische Linke die passagenweise anstrengende Lektüre entweder gar nicht vollzogen oder nicht verstanden. Oft genug bleiben die Lesezeichen in der schon so ernsthaft dunkel gehaltenen Suhrkamp-Wissenschaftsreihe ja auf den ersten Seiten stecken, und die Unterstreichungen und Anmerkungen brechen jäh ab.

Dabei lohnte es! Nur ein paar Beispiele, da Philosophisches – weshalb eigentlich? – das Auditorium schnell langweilt. Auch so ein Symptom, daß Anstrengung immer langweilt und der Faden nach zwei Minuten reißt, insbesondere dann, wenn nicht endlich Bilder kommen. Das macht vielleicht den Erfolg der mir scheußlichen Power-Point-Präsentationen erklärlich, bei denen ich, geht der Beamer nur an, grundsätzlich aufstehe und mich höflich verabschiede.

Verkleisterte Begriffe und verschleimte Aussagen

Also erstens: Im Akt politischer Auseinandersetzung geht es stets um Sprache. Die sich darüber Gedanken machten – vorzugsweise die analytische Philosophie und Ludwig Wittgenstein – spielen als Bezüge bei der Rechten kaum eine Rolle. Dabei ist die Frage, was sich wie oder was sich überhaupt klar sagen läßt, die allerwichtigste im Disput, zumal wir gerade in der Gegenwart der Farce in Verkleisterungen von Begriffen und Aussagen geradezu wie im Schleim waten. Der effizienteste kulturelle Widerstand läge darin, dem Gegner nachzuweisen, wo er in die Gefangenschaft seiner eigenen Phrasen geriet. Dies ist insbesondere am Beispiel der unsäglichen Bildungsdiskussion eindrucksvoll aufzeigbar. Selbst die jüngsten Tests dazu holen aus den Untersuchungen ja nur, was sie vorher politisch-intentional hineinlegten, und zwar rein begrifflich.

Nirgends lese ich ferner eine zugkräftigere Kritik der von der Linken verklärten Aufklärung als in Adorno und Horkheimers „Dialektik der Aufklärung“. Hätte die Linke den Hauptgedanken, daß die herrschaftsförmig begriffene Vernunft immer zum Opfer ihrer eigenen Herrschaftsansprüche wird, je nachvollzogen, stünde sie nicht vor ihrer eigenen Geschichte im 20. Jahrhundert wie vor einem Rätsel.

Dialektik, dieser von Hegel herrührende pauschale Lieblingsbegriff der Linken, meint in diesem Zusammenhang die Verstrickung solcher Vernunft in ihren eigenen Netzen. Gut, man kann das auch bei Shakespeare nachlesen, aber selbst der ist gegenwärtig offenbar „out“, wenn er nicht als Spielfilm aufgeführt wird.

In der Falle der Aufklärung

Letztlich: Wenn ich in Adornos „Negativer Dialektik“ lese, daß er mit diesem starken Wort pessimistischer Anmutung ein Denken meint, das sich selbstkritisch gegen den Herrschaftscharakter der Begriffe wendet, so sind wir damit mitten im politischen Geschäft. Es gilt, den Vorrang des unmittelbar Gegebenen wieder vor den Begriffen zu zeigen. Sicher, das ist nur der Literatur möglich, da es kein begrifffreies Denken im Philosophischen gibt, aber die „negative Dialektik“ übt ein, was alle Welt vergessen zu haben scheint, daß es nämlich nicht zuerst um all die Trost-, Heil- und Schmähbegriffe geht, sondern immer noch um die Tatsachen, insoweit die freilich überhaupt feststellbar und formulierbar sind.

In der erwähnten Bildungsdiskussion, die einer burleske Neuauflage des Andersonschen Märchens von des Kaisers neuen Kleidern ziemlich nah kommt, rangieren die Begriffe längst vor den Tatsachen, und genau deswegen geht auf diesem Gebiet nichts weiter. Solange man links beispielsweise positiv konnotierten Worten wie „Ganztagsschule“, „Durchlässigkeit“ und „Coaching“ per se Zauberkraft zuschreibt, kann man keine Probleme lösen, sondern betreibt Beschwörungen.

Daß die Linke sich geschichtlich wie politisch immer wieder selbst in die Falle läuft, ist nicht zuletzt ihrem aufklärerischen und idealistischen Erbteil geschuldet. Kann sie sich ihrem Herkommen nach da zwangsläufig nicht selbst therapieren, ist es an der Rechten, Klarstellungen vorzunehmen. Dies gelingt treffsicher, wenn sie sich selbst nicht metaphysisch umwölkt.

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