Hubertus Gärtner hat ein Problem. Er wäre gern einer von den klasse investigativen Journalisten, so ein richtig harter Hund, der die ganz großen Schweinereien aufdeckt und dafür gefürchtet und bewundert wird. Einmal, da hätte er sogar beinahe einen Journalistenpreis bekommen für ein paar Artikel, mit denen er dem Paderborner CDU-Landrat Dampf gemacht hatte. Aber das ist auch wieder etliche Jahre her.
Jetzt sitzt er schon seit fünf Jahren als Regionalreporter der Neuen Westfälischen in Bielefeld, wo er in den Achtzigern, nach dem Studium der Sozialwissenschaften, als Volontär und Gerichtsreporter angefangen hat. Die drei Jahre als Reporter der Süddeutschen in Düsseldorf sind nur noch ferne Erinnerung. Und das Karriereende rückt näher.
Dennoch, gern erklärt Hubertus Gärtner jüngeren Kollegen das Handwerk des investigativen Journalismus. Da muß man hartnäckig und lange recherchieren, und oft gibt es Ärger und Protest. Chefredakteure und Verleger mögen so was gar nicht. Gärtners Brötchengeber, die Neue Westfälische, bei der er nach Jahren als „Freier“ wieder eine feste Anstellung bekam, gehört mehrheitlich der SPD-Medienholding dd_vg.
Jagd auf imaginierte „Rechtsextremisten“
Was macht man da also als investigativer Provinzjournalist, wenn sich gerade kein CDU-Landrat mit „Tempoaffäre“ anbietet? Man jagt imaginierte „Rechtsextremisten“, da kann man nämlich schön „Zivilcourage“ zeigen und tritt trotzdem keinem auf die Füße. Jedenfalls keinem, der einem beim Verleger gefährlich werden könnte.
Nun gibt es in Bielefeld zwar eine recht lebendige linksextremistische und „Antifa“-Szene, und die türkischen „Grauen Wölfe“ tummeln sich dort anscheinend auch recht gerne. Aber richtige deutsche „Nazis“? Die muß sich der wackere Herr Gärtner wohl oder übel, mit ein wenig Hilfe von seinen Freunden und Informanten, selber backen.
Und so kommt es, daß sich unser Möchtegern-Investigator seit Jahren an der Bielefelder Burschenschaft Normannia-Nibelungen abarbeitet. Die veranstaltet seit 2005 eine bemerkenswerte Tagungsreihe, in der Referenten unterschiedlichster Couleur ein Rahmenthema kontrovers ausleuchten: Die „Bielefelder Ideenwerkstatt“. Da muß doch was zu machen sein!
Ein echtes investigatives Frontschwein
Letztes Jahr, da hätte er es beinahe geschafft: Felix Menzel referierte, Chefredakteur der Blauen Narzisse, JF-Autor, Mitarbeiter am Institut für Staatspolitik: Endlich ein „Nazi“!? Zwar ist Spürnase Gärtner erst drei Wochen nach der Veranstaltung der vermeintliche Skandal aufgefallen, und sein Anschwärz-Artikel strotzte vor haltlosen Behauptungen und oberflächlichen Verwechslungen, so daß er aus dem Online-Auftritt der Neuen Westfälischen rasch wieder verschwand.
Immerhin, Grünen-Chefin Claudia Roth erstattete nach dem Hörensagen Anzeige gegen Menzel wegen alles Möglichen. Gärtner, der ja selbst auch nicht zum Investigieren dabeigewesen war, konnte immerhin daraus noch ein Artikelchen basteln. Trotzdem eine magere Ausbeute.
Aber ein echtes investigatives Frontschwein läßt nicht locker. Anfang November steht die 7. Bielefelder Ideenwerkstatt unter dem Generalthema „Völkerwanderungen im 21. Jahrhundert – Fluch oder Segen für Europa?“, und diesmal schlägt Geisterjäger Gärtner schon vorher zu.
Wozu auch noch groß recherchieren?
Euro-Kritiker Wilhelm Hankel und der Bundesvorsitzende der türkischen BIG-Partei Haluk Yildiz sind als Vortragende angekündigt – die können doch nur von raffinierten Extremisten im Rahmen einer finsteren „Strategie“ als „Feigenblatt“ mißbraucht werden, zitiert Hubertus Gärtner aus der „Pressemitteilung“ eines „Bündnisses“, das „alle demokratischen Referenten“ zum Boykott aufruft. Wie das „Bündnis“ eigentlich heißt, wer alles dabei ist und ob das Ganze nicht doch wieder nur ein linksextremistischer Tarnballon ist, verrät Hubertus Gärtner natürlich nicht. Wozu auch noch groß recherchieren, wenn die Richtung doch stimmt?
Haluk Yildiz wird derzeit aus „Bündnis“-Kreisen massiv bedrängt, seine Teilnahme abzusagen, unter anderem, weil im Rahmen der 7. Bielefelder Ideenwerkstatt auch ich über das Thema des von Götz Kubitschek und mir verfaßten Buches „Deutsche Opfer fremde Täter“ referieren werde. Das Ritual ist nicht sonderlich originell und verfängt auch nicht bei jedem. Alt-Kommunarde Rainer Langhans, der vor einem halben Jahr bei den Bielefelder Burschenschaftern aufgetreten war, hatte sich von den Warnungen der „Antifa“ nicht einschüchtern lassen. Die Spiegel-Kollegen, die über die Veranstaltung und ihre Begleitumstände berichtet haben, waren übrigens selbst an Ort und Stelle gewesen und wußten wenigstens, worüber sie schreiben. Bei der Neuen Westfälischen hat man so was, zum Glück für verhinderte Schmalspur-Investigatoren, offenbar nicht nötig.