In Hessen ist Kommunalwahlkampf. Es ist das übliche Schauspiel: Die Straßenseiten oder Grünflächen sind vollgestellt mit Plakaten. Während man an der Ampel steht, wird man von mehr oder weniger schönen Menschen (Kommunalpolitikern!) von der Plakatwand aus angelächelt. Samstags stehen die üblichen Verdächtigen der Parteien in der Fußgängerzone und unterhalten sich vornehmlich untereinander. Und manchmal versucht einer der Parteimitglieder sogar, sein Werbematerial an die interessierte Frau oder den Mann zu bringen.
In Gießen werben in der Fußgängerzone SPD, CDU, FDP, Freie Wähler, Grüne, Linke, Piraten und Linkes Bündnis um Wählerstimmen. Tritt man an die Infostände heran, fragt nach einem Wahlprogramm und lehnt einen Kugelschreiber ab, wird man ungläubig angesehen. Kugelschreiber, Aufkleber und Luftballons scheinen normalerweise für die Wähler wichtiger zu sein als das Parteiprogramm. Liest man sich jedoch die Programme durch, weiß man aber auch, warum der Wähler mehr Interesse an Kugelschreibern hat. Manche Wahlprogramme sind langweilig und wimmeln nur so von Gemeinplätzen, wie zum Beispiel:
„Kommunale Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik kann und muß in einem Klima gemeinsamer Verantwortung privatwirtschaftliches Handeln und staatliche Politik unterstützen und ergänzen.“ Ach du meine Güte, ist dieser Satz langweilig und nichtssagend!
Man will ja nicht an Langeweile sterben
Oder diese Aussage: „Grundprinzip unserer Wirtschaftspolitik für Gießen ist die Förderung einer langfristig angelegten, nachhaltigen, sozial ausgewogenen und dynamischen Wirtschaftsentwicklung auf der Basis einer zukunftsorientierten und zukunftsfähigen Wirtschaftsstruktur.“ Was bringen solche Sätze einem Wähler, der sich zwischen den konkurrierenden Parteien entscheiden will? Wenn ich so was lese, werfe ich das Programm direkt in die nächste Tonne. Man will ja nicht an Langeweile sterben!
Dann doch lieber nur die Werbebotschaften überfliegen: „Bürgerwille verdient Respekt“, „Die Stadt gehört Dir“ oder „Verantwortung für das Ganze“. Witziger sind da nur die Piraten mit dem Slogan „Denk selbst!“.
Interessant ist auch, was für Veranstaltungen angeboten werden: Während das Linke Bündnis am Aschermittwoch unter anderem zum Thema „Räte als Formen direkter Demokratie in der Kommune“ eingeladen hatte, veranstaltete die SPD Gießen vor stolzen 30 (!) Zuhörern eine Veranstaltung, auf der zu Guttenberg von einem Gewerkschafter als „Affenarsch aus einem fränkischen Kleinkaff“ bezeichnet wurde.
Wo sind bei der SPD die Arbeiter hin?
Ansonsten war es aber eine dröge Veranstaltung, die leicht zusammengefaßt werden kann: Reiche sind schlecht, Arbeitgeber sind schlecht, Arbeiter sind arm und bemitleidenswert. Die regionale SPD in Gießen oder Marburg stellt jedoch nahezu keine Kandidaten mehr auf, die der Arbeiterschicht zuzuordnen wären. Die meisten der Kandidaten sind in der Verwaltung tätig, Lehrer, Angestellte oder Studenten. Wo sind bei der SPD die Arbeiter hin?
Ein Wahlkampf-„Highlight“ der CDU ereignet sich meines Erachtens in der kommenden Woche, bei dem zunächst „verschiedenen Varianten von neuen Bestattungsformen“ vorgestellt werden und erst danach über „Entscheidungen der Politik und aktuelle Auswirkungen im Landkreis Gießen“ referiert wird. Welcher Wahlkämpfer denkt sich diese Beerdigungs-Veranstaltung aus?
Wahrscheinlich ist es wirklich am besten, man wählt (a) nach Schönheit der Kandidaten oder (b) wie immer oder (c) gar nicht. Und auf Länderebene spart man sich jegliche Parteieninformationen und wählt, was der „Wahlomat“ einem vorschlägt. Zumindest bei mir hat der Wahlomat vernünftige Ergebnisse gebracht!