„Die Amerikaner sind immer die Guten.“ – „Was im Fernsehen gesagt wird, stimmt.“ Dies sollen anscheinend die Botschaften sein, die Henryk M. Broder in einer „Deutschland-Safari“, begleitet von Hamed Abdel-Samad, im Dienste der ARD unters Volk zu bringen hat.
Ein Tag Verspätung und eine ungünstige Sendezeit sind allerdings keine idealen Voraussetzungen, um das Licht der Vernunft in den Dschungel der Verschwörungstheorien zu tragen, der seit zehn Jahren um den 11. September wuchert. Doch schauen wir, welche Vorstöße „Entweder Broder“ trotzdem unternimmt, um die unwissenden deutschen Negerlein und ihre bösen Voodoo-Priester zu bekehren.
Da finden sich „Jesus, Mohammed und Moses im Gepäck“ und, als zusätzlicher Sympathieträger, der Foxterrier Wilma, der die beiden öffentlich-rechtlichen Missionare begleitet. Falls die Botschaft, daß diese Maskottchen alle gemeinsam in Broders „buntes Playmobil“ passen, die verirrten Seelen nicht erreichen sollte, hat man noch das Dschungelcampgirl Indira aufgeboten, gegen deren Charme als koschere Cola trinkende Proselytin und Blondine der Herzen (seit Verona Pooth, vormals Feldbusch, werden gerne auch brünette Frauen für klassische Blondinenrollen eingesetzt) kaum ein Kraut gewachsen sein könnte.
Umgekehrte Brunnenvergiftung
Könnte! Denn kaum hat sie ihren süßen Mund aufgetan, ist der böse Satz draußen. Eben hatte sie noch mit ganz lieber Entrüstung die zuvor in einem düsteren Dönerladen von einem „Integrationsverweigerer“ angedeutete Behauptung zurückgewiesen, „die Juden“ steckten hinter dem Anschlag auf das World Trade Center, um dann aber sogleich hinzuzufügen, „die Amerikaner“ seien es selbst gewesen. Zum Glück gibt es wenigstens bei der Rettung dieses armen Seelchens ein Happy End: Als die von Broder onkelhaft angeschwärmte Indira vor dem Hintergrund eines Atomkraftwerks dem gesunden, klaren Wasser entsteigt, läßt sich die Badenixe in eine amerikanische Flagge hüllen, damit sie „nicht friert“.
Aber nicht bei allen Leuten gibt Broder den lieben Opa. „Nazis“ zum Beispiel tatscht er nicht so gerne an. Das heißt: Sieht das Drehbuch ein Distanzierungsritual vor, wischen sich Broder und sein treuer Hadschi Halef Omar nach einer Begrüßung des Berliner NPD-Vorsitzenden Uwe Meenen säuberlich die Hände ab. Ein wenig geht die kindische Aktion aber nach hinten los, als sich Meenen der Pappkameradenrolle bei einem neuerlich drohenden Handschlag mit freundlicher Entschuldigung entzieht und Broder stehenläßt.
Die Botschaft ist aber schön fernsehmäßig klar: Es gibt Reinheit und Unreinheit. Die richtigen Auffassungen sind so rein und offenkundig, daß sie niemals begründet werden müssen; und die unreinen, die sich in dicken Büchern um Argumentation bemühen, sind keinesfalls näher zur Kenntnis zu nehmen, sondern in Form eines dicken Stapels – darunter auch Alain de Benoists „Die Tragödie des Westens“ – dem reinigenden Wasser eines Brunnens zu überantworten, was wohl eine spielerisch umgekehrte Brunnenvergiftung sein soll.
Klischee-Auswalzungen
Der Jude entlarvt, wie der Westen seine Brunnen durch seinen Irrwahn selbst vergiftet; und wer dies noch immer nicht begreift, wird von Broder belehrt, daß hinter antiamerikanischen Verschwörungstheorien das Ressentiment deutscher Bildungsspießer stünde, die nicht wahrhaben wollen, daß sie von den „kulturlosen Amis“ „befreit“ worden seien.
Alles scheint so klar wie das Wasser, das auf Indiras Busen perlt. Oder doch nicht? Gerade dieser Busen, so erfahren wir, ist „natürlich nicht echt“, und auch „schöne Augen können lügen“. Können die eigenen Augen aber auch trügen, wenn man im Fernsehen zusammenstürzende Twin Towers sieht? Will Broder uns durch seine Klischee-Auswalzungen zu einem kritischen Medienkonsum erziehen?
Dazu paßt hervorragend die scheinbar dümmliche Figur, die er so gekonnt bei einer Veranstaltung Jürgen Elsässers zum 11. September mimt: Vordergründig spielt er den Entlarver, aber womöglich macht er mit dem „Verschwörungstheoretiker“ gemeinsame Sache – schließlich würde er ihm sonst kaum durch die Frage, ob Osama bin Laden ein CIA-Agent gewesen sei, so elegant den Ball vorlegen, den ihm Elsässer souverän in Form eines Compact-Magazins über genau dieses Thema zurückspielt. Steht also hinter der Klarheit von „Entweder Broder“ doch wieder nur das ewige „Oder“, das „Broder“ scheinbar alternativlos ersetzt? Nichts Genaues weiß man nicht.