Um das Image von Politikern sei es in Deutschland schlecht bestellt, klagte Bundespräsident Christian Wulff vor einigen Tagen im ARD-Morgenmagazin: Früher sei man dafür gelobt worden, wenn man sich engagiert und ein öffentliches Amt übernommen hat. Heute hingegen begleite auch Politiker „Häme, Spott und Mißtrauen“.
Demokratie funktioniere aber nur, wenn Menschen Verantwortung übernähmen und nicht jeder Politiker als „Karrierist verhöhnt“ werde. Die Aufgabe vor der er, Wulff, stehe, sei „viel größer“, als er befürchtet habe. In der Tat: Wulff steht, gerade aus seinem Mallorca-Urlaub zurückgekehrt und wegen seines dortigen Domizils ins Gerede gekommen, vor einer wahrhaft herkulischen Herausforderung, will er das „Image“ deutscher Politiker verbessern.
Politik gegen deutsche Interessen
Das Vertrauen in eine Politik, die jahrzehntelang die Interessen der Deutschen entweder ignoriert oder sogar gegen deutsche Interessen agiert hat, scheint nämlich restlos aufgebraucht. Stichworte hierfür sind zum Beispiel die auch auf diesen Seiten immer wieder kritisierte Entscheidung zur Einführung des Euro, die seit Jahrzehnten anhaltende Zuwanderung nach Deutschland, die in keiner Weise nationalen Interessen Rechnung trägt oder die Anbiederung an Minderheiteninteressen aller Couleur.
Verschärfend kommt weiter hinzu, daß eine offene Diskussion über diese Fragen durch das flächendeckend durchgesetzte Regime der politischen Korrektheit, dem sich die Masse der deutschen Politiker nur zu willig unterworfen hat, kaum oder nicht stattfindet. Zur Politikferne vieler Deutscher dürfte weiter deren Aussperrung von Entscheidungen beitragen, die von nationaler Tragweite sind. Eine Mitentscheidung in Form von Plebisziten auf Bundesebene wird seit Jahrzehnten mit allen möglichen (Schein-)Argumenten abgeblockt.
Wulff und der „Andenpakt“
Nun spricht es Bände, daß sich ausgerechnet Christian Wulff darüber mokiert, daß Politiker als „Karrieristen“ verhöhnt werden. Er selbst hat ja einem CDU-Karrierenetzwerk angehört, über das umfassend zuerst der Spiegel am 30. Juni 2003 berichtete: Dieses Netzwerk, „Andenpakt“ genannt, kam am 25. Juli 1979 auf einem Nachtflug von Caracas nach Santiago de Chile zustande. Zwölf Mitglieder einer Delegation der Jungen Union sollen auf diesem Flug „im Scherz“ ein Bündnisdokument aufgesetzt haben.
Aus diesem Bündnis entstand dann eine einflußreiche Seilschaft in der CDU, die auf politische und personelle Entscheidungen in der CDU Einfluß zu nehmen versuchte (und wohl auch hat). Mit anderen Worten: Vorrangiges Ziel dieses „Pakts“ war, sich gegenseitig bei der Karriere „Schrittmacherdienste“ zu leisten. Zu seinen Mitgliedern gehörten neben Christian Wulff zum Beispiel Roland Koch, Friedbert Pflüger, Günther Oettinger, Franz Josef Jung, Matthias Wissmann, Elmar Brok und Hans-Gert Pöttering. Offiziell wurde das Vorhandensein eines derartigen „Pakts“ zwar nie bestätigt, immerhin aber hat Wulff die Existenz dieses „Pakts“ in der CDU zugegeben, dessen tatsächliche Intentionen aber zu verniedlichen versucht.
Politiker ohne Eigenschaften
Man mag zu Wulff stehen, wie man will: Eines vor allem hat er begriffen, nämlich daß das Beziehen von Positionen, die dem (links stehenden) Zeitgeist zuwiderlaufen, schnell zum Karrierekiller werden kann, und Netzwerke karrierefördernd zu nutzen. Entsprechend konturlos wirkt dieser Mann, der nun die Rolle des deutschen Staatsoberhauptes ausfüllen soll.
Der Typus, den Wulff verkörpert, ist in der deutschen Politik in einer Art und Weise dominant geworden, daß es kaum mehr verwundert, daß die Deutschen für diese Errungenschaft des bundesdeutschen Politikbetriebs – nämlich die Hervorbringung von Politikern ohne Eigenschaften, die zeitgeistkonforme Phrasen von sich geben – nur noch „Häme, Spott und Mißtrauen“ übrig haben.
Mit anderem Worten: Die Aufgabe, vor die sich Wulff gestellt sieht, müßte zunächst bei ihm selbst beginnen. Daß einer wie Wulff auf einen derartigen Gedanken verfiele, käme in der Geschichte der politischen Klasse der Bundesrepublik allerdings einer kopernikanischen Wende gleich.