Traditionen müssen gelebt werden. Und das immer mittwochs – denn nahezu jeden Mittwoch treffen wir uns und spielen Schafkopf; Gregor, Daniel, Heiko und der Verfasser dieser Zeilen. Meines Erachtens spielen wir Schafkopf aus zwei Gründen; zum einen natürlich wegen des Kartenspiels an sich, zum anderen weil wir uns erzählen, was im Laufe der jeweils vergangenen Woche passiert ist.
Kurioses, Lustiges oder Alltägliches ist immer Gesprächsstoff. Tips zum Urlaub, zur Fitneß und ganz anderen Themen werden gegeben, Fragen gestellt und man erhält Antworten, Meinungen und natürlich allerlei unnützes Wissen. Wichtig ist auch, daß der FC Bayern immer gewinnt und daß die Nationalmannschaft das nächste Mal besser spielen sollte.
Parteipolitik und Politik im allgemeinen ist eher kein Thema – und das ist wohl auch gut so. Daß man CSU-Mitglied ist, wenn man aus Bayern kommt, wird toleriert. Nicht toleriert werden jedoch Fehler beim Schafkopfen, die werden einem mit einem Augenzwinkern wochenlang vorgehalten.
Teil der bayerischen Lebensart
Wobei wir auch schon beim Spiel wären: Schafkopf ist ein traditionelles deutsches Kartenspiel. Wo das Spiel ursprünglich herkommt, weiß man nicht so genau. Eventuell entstand das Kartenspiel im 18. Jahrhundert im Erzgebirge oder in Thüringen.
Heute ist es als „Bayerischer Schafkopf“ eines der beliebtesten und bekanntesten Kartenspiele. Es gilt als Kulturgut und Teil der bayerischen Lebensart. Woher die Namensgebung stammt, ist umstritten. Womöglich hat es deswegen mit einem Schafkopf zu tun, weil man früher die gewonnenen Spiele mit Kreidestrichen bis zu einem kompletten Bild eines Schafkopfes zusammenfügte.
Wir spielen Schafkopf um Geld; wenn man Glück und/oder Können hat, gewinnt man schon mal vier Euro an einem Abend. Immer in derselben Kneipe, immer am selben Tisch, jeder hat immer seinen festen Platz, am besten wäre auch noch immer dieselbe Bedienung, die die Getränke reicht. Es wird mit dem Bayerischen Blatt gespielt; mit vier Spielern und 32 Karten – also acht Karten je Spieler.
Herz ist üblicherweise Trumpf
Selbst die Getränke sind immer die gleichen – nur wenn im Winter statt eines Weißbieres von einem unserer Kartenspieler ein „Vanille-Rooibush-Tee mit Waldblüten-Honig“ bestellt wird, schaut sogar der Wirt skeptisch unter seiner Halbbrille hervor. Von unserem Tisch her ertönt es dann erklärend: „Ist schon in Ordnung, der hat mal wieder ‘nen rosa Schlüpfer angezogen!“
Für den nicht Eingeweihten erscheint Schafkopf als ein kompliziertes Kartenspiel, denn es hat seine eigene Sprache. Herz ist üblicherweise Trumpf, man kann ein „Solo“ spielen oder „Rufen“; man ruft eine „Sau“, spielt einen „Wenz“ oder „Geier“, und sehr selten kann man ein „Tout“ spielen. Wer das Spiel erlernen möchte, kann dies tun: Zum einen bieten immer mehr Volkshochschulen – mehrheitlich natürlich in Bayern – Schafkopfkurse für Anfänger an.
Des weiteren gibt es Vereine, die sich dem Schafkopfspiel verschrieben haben. Und natürlich kann man sogar Schafkopfreisen buchen; zum Beispiel nach Wegscheid bei Lenggries, Reith im Alpbachtal oder nach Rimbach im Bayerischen Wald. Wer gut genug ist, kann an einem der zahlreichen Schafkopfturniere, etwa an der Schafkopfturnierserie des Müchner Merkurs teilnehmen.
Traditionen müssen gelebt werden
Und nicht zuletzt gibt es auch Schafkopf-Witze: Es ist früher Morgen. Der Heiko schleicht sich ins Haus. Seine Freundin stellt ihn völlig übernächtigt und wütend zur Rede. Daraufhin sagt der Heiko: „Reg‘ Dich bitte nicht auf. Ich mußte gestern länger arbeiten und es wurde sehr spät. Der letzte Bus für meine Kollegin war schon weg, da habe ich sie nach Hause gefahren. Dort hat sie mich dann zu einem Kaffee eingeladen, weil ich so überarbeitet war. Und dann wurde ich schlagartig müde, und sie wollte mich in diesem Zustand nicht mehr fahren lassen und so bin ich dann mit ihr …“ „Lüg mich nicht so schamlos und dreckig an!“ unterbricht ihn seine Freundin, „Du hast doch wieder die ganze Nacht in Marburg im Wirtshaus gesessen und hast mit Daniel, Gregor und Tobias Schafkopf gespielt!“
In diesem Sinne: Traditionen müssen gelebt werden. Und das immer mittwochs!