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Schellings einmaliger Freiheitsakt – eine kleine Jubiläumsschrift

Schellings einmaliger Freiheitsakt – eine kleine Jubiläumsschrift

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Schellings einmaliger Freiheitsakt – eine kleine Jubiläumsschrift

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Cato, Weidel, Exklusiv

Vor gut 200 Jahren, im Mai 1809, kamen die „Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände“ frisch aus der Druckerpresse. Der Autor, Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling, zu diesem Zeitpunkt 34 Jahre alter Meisterdenker des Deutschen Idealismus, sollte mit der Freiheits-Schrift die Zeit großer Systeme endgültig sprengen.

Worin lag der Sprengsatz? In dem Versuch, Freiheit und System miteinander zu verbinden; Freiheit und Kausalität zur Synthese zu bringen. Zwar versagte der Philosoph darin, aber das macht die Schrift nicht wertlos. Ganz im Gegenteil. Schließlich droht im Zeitalter moderner Neurobiologie die Freiheitsfrage in biochemischen Prozessen zu versickern: Scheint nicht alles Handeln stofflich-kausal determiniert? Oder läßt sich Geist doch nicht auf pure Materie reduzieren? Schellings Fehlschlag zeigt, warum dieser Streit unlösbar ist: Weil er auf einem falschen Freiheitsbegriff basiert.

Schon Kant versuchte die Freiheit zu retten, indem er sie aus der empirischen Welt entfernte. Scheint in ihr doch alles kausal determiniert. Statt dessen postulierte er Freiheit als einmaligen Akt außerhalb der Erscheinungswelt, im metaphysischen Bereich. Diesen einmaligen Freiheitsakt außerhalb von Raum und Zeit wollte Schelling in sein metaphysisches System integrieren.

Hierarchie ist in Gott unauflösbar

Sowohl das göttliche wie das menschliche Wesen ist „gespalten“. Da gibt es zunächst den dunklen, chaotischen Grund, dem entsteigt ein unbewußter Wille zur Herausbildung des Geistes. Mit anderen Worten: Die „lichten Gedanken“ entspringen dem Dunkeln, aus unbewußter Sehnsucht nach Selbsterkenntnis. Der Verstand bildet sich aus dem Verstandlosen heraus und sortiert dann seinerseits die chaotischen Kräfte seines Ursprungs. Stetig und immer tiefer durchdringt er den dunklen Grund. Mit dieser Beschreibung antizipiert Schelling das moderne, psychoanalytische Menschenbild.

Laut dem ist das Neugeborene erstmal Trieb („Es“ genannt). Dann bildet sich im Laufe der Entwicklung das „Ich“ heraus, das Reflexion, Ordnen der Triebimpulse oder deren Sublimierung ermöglicht. Und erst in dem Zusammenspiel beider bildet sich eine „Einheit“, eine Persönlichkeit: Jetzt strukturiert und beherrscht das Licht den dunklen Grund. Diese Hierarchie ist in Gott unauflösbar, beim Menschen schon. In ihm kann der dunkle Grund die Oberhand gewinnen! So ist der Mensch fähig zum Bösen, durch die Umkehrbarkeit des Verhältnisses von Geist und Grund. Freiheit ist zugleich Möglichkeit zum Bösen.

Auch damit lieferte Schelling die Vorlage für das moderne Menschenbild: Erklärt man doch die „böse Tat“ oft durch Dominanz der Triebe, die den Menschen übermannt haben. Wenn das „Es“ plötzlich das „Ich“ beherrscht. ?Aber – ist so eine Thronstürmung durch den dunklen Grund nicht auch eine Kausalerklärung?  Schellings Ausrede, das Individuum habe diese Freiheit außerzeitlich – in einer mystischen Dimension – vollzogen, ist wiederum unmöglich. Denn ein Entschluß, ob frei oder unfrei, ist ohne Zeitlichkeit gar nicht denkbar! Aber die beinhaltet wieder Kausalität oder „Zufall“ – aber keine Freiheit.

Frei von äußerlichen oder inneren Zwängen

Ein unauflösbarer Widerspruch, den jede Idee von Entscheidungsfreiheit in sich trägt. Somit ist die moderne Hirnforschung gar keine Bedrohung der Freiheitsidee. Denn sowohl deren Vertreter wie ihre Gegner, die Anhänger der sogenannten „Willensfreiheit“ – sie haben beide unrecht. Eben weil sie ein gedankliches Monstrum, ein Un-Ding darstellt. Selbst die tägliche Erfahrung trägt es nicht.

Wir stehen im Alltag vor Konflikten und plötzlich kommt, aus dem Dunkel, die Entscheidung. Niemand kann spüren, wie sie entstand. Ob „frei“ oder „unfrei“, sie ist plötzlich da! Freiheit heißt: Frei von äußerlichen oder inneren Zwängen. Sie auf den Akt der Entscheidung zu projizieren, heißt: Sie dort verorten, wohin sie gar nicht gehört. Fazit: Die Debatte um die „Willensfreiheit“ ist deshalb endlos, weil über ein Scheinproblem diskutiert wird.

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