Daß wir in kulturrevolutionären Zeiten leben, ist nicht nur am weltweiten Sturz von Denkmälern zu sehen. Das Politische durchdringt alle Lebensbereiche, wir können uns den Polarisierungen, den Ideologisierungen immer schwerer entziehen – auch in der Sprache. Max Frisch warnte einst ahnungsvoll in einem Lob der klaren Poesie des Schriftstellers, die „Herrschaftssprache“ habe „die Tendenz, uns zu entmündigen, um uns verfügbar zu machen“.
Überall dringt eine politisierte Herrschaftssprache auf uns ein. Unter dem Vorwand des Minderheitenschutzes und der „Geschlechtergerechtigkeit“ setzen Behörden und auch Redaktionen die „lächerlichen Sprachgebilde“ (Wolf Schneider) des Gender-Sprechs durch, mit dem ein ideologischer Erziehungsauftrag verbunden ist. So begrüßte Anne Will jüngst in ihrer Gesprächssendung bei der ARD den Präsidenten des „Bundes der Steuerzahler (Pause) innen“. Beifallheischend machte sie dem Verbandsvertreter Vorwürfe, weshalb er seinen Verein noch nicht gendergerecht umbenannt habe.
Beim ZDF-„Heute Journal“ wurden kürzlich die Wehrbeauftragten der vergangenen Jahre abgebildet (alles Männer) mit der Bildunterschrift „Werbeauftragte*r“. Moderator Claus Kleber sprach in der Sendung am vergangenen Sonntag in einem Beitrag von „Künstler (Pause) innen“ – die nun um sich greifende Form, sich vor dem Gender-Sternchen durch ein ehrfurchtgebietendes Innehalten zu verneigen.
Sado-masochistische Züg
Die demokratisch nicht legitimierte Durchsetzung des Gender-Sprechs ist eine unverhohlene politische Machtdemonstration. Hier wird öffentlich vorgeführt, wer metapolitisch am längeren Hebel sitzt. Ohne demokratische Legitimation fußt das Ganze auf einer größenwahnsinnigen Hypermoral: Wir definieren, was moralisch gut ist (Gleichheit, Minderheitenschutz), wer es wagt, sich dem zu widersetzen, setzt sich dem Verdacht aus, ein Feind des Guten zu sein, ist also Rechter, Reaktionär oder gleich Faschist. Und da wir „natürlich“ (Saskia Esken) Antifa sind, ist klar, wohin die Reise geht.
Tatsächlich folgt Gender-Mainstreaming und das Gender-Sprech originär einer linksradikalen Agenda. Die von linken Soziologen erfundenen „Mikroaggressionen“, die bei Verwendung des generischen Maskulinums oder durch Festhalten am natürlichen männlichen und weiblichen Geschlecht erzeugt werden, sie gehen in Wirklichkeit nun vom Orwellschen Gender-Neusprech aus.
Warum unterwerfen sich aber insbesondere Journalisten dieser Sprachpolizei? Weil es ihnen politisch paßt und zudem sado-masochistische Züge trägt: Unterwerfung verbindet sich mit der Freude am Gängeln. Max Frisch mahnte Schriftsteller (und Journalisten) indes, Herrschaftssprache kastriere uns politisch, Aufgabe sei, sie zu entlarven, indem ihr eine Sprache „der Erfahrung“ entgegengesetzt werde.
JF 26/20