O’zapft is! Am Samstag wurde mit dem traditionellen Faßbieranstich das 189. Oktoberfest eröffnet. Im Vorfeld haben viele Diskussionen die Gemüter rund um das größte Volksfest der Welt erhitzt. So sahen die Veranstalter sich offenbar gezwungen, den Gigi D’Agostino Partyhit „L’amour toujours“ auf der gesamten Wiesn zu verbieten, um rechtsextreme Textaussetzer bei der einheimischen und angereisten Partyjugend zu verhindern. Auch die Frage, ob auf dem Oktoberfest nach der bundesweiten Cannabis-Legalisierung gekifft werden darf, wurde heiß diskutiert – und von der Landesregierung per „Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz“ letztendlich mit einem klaren „Nein“ beantwortet.
Gesoffen werden darf auf dem Oktoberfest aber immerhin noch so viel, wie reingeht. Oder zumindest so viel, wie man sich bei einem Preis von 13,60 Euro bis 15,30 Euro für das halb schaumvolle Maßglas leisten kann. Das für viele Besucher tatsächlich wichtigste Thema dürfte sich allerdings erst im Verlauf des Festes selbst herauskristallisieren. Die Frage: Wie hoch ist die Talahon-Dichte auf der Theresienwiese?
So ein „Luftkick“ kann im Getümmel der überfüllten Feiergassen schließlich schnell zu einem Bierkrug-Tritt oder schlimmerem werden. Auch die Chancen der weiblichen Besucher, Opfer einer sexuellen Belästigung zu werden, könnte und wird sich wohl durch die internationale Verstärkung für die Sexualstraftäter noch einmal deutlich erhöhen.
Söder präsentiert sich in Lederhosen
Von alldem war am Sonnabend erst einmal keine Rede. Stattdessen sprachen alle über den großen Auftritt von Markus Söder. Der Ministerpräsident erschien erstmals in Lederhosen zur bayrischsten aller Weltereignisse und stahl damit sogar Münchens Oberbürgermeister die Show, der den sagenumwobenen Anstich mit nur zwei Schlägen meisterte. Der König der Opportunisten will wieder Volkstribun aller Bayern sein. Das wurde bereits einige Tage vor der Oktoberfesteröffnung deutlich, als er großmütig erklärte, alle Corona-Bußgeldverfahren im Freistaat einstellen zu wollen. „Wir haben noch offene Bußgeldverfahren. Ich möchte sie gern beenden. Wir brauchen hier mal einen Frieden“, soll Söder nach Angaben von Teilnehmern in seiner Grundsatzrede bei der Klausur seiner CSU-Landtagsfraktion in Kloster Banz gesagt haben.
Auf eine fröhliche und friedliche #Wiesn! Heute war wieder super Stimmung beim Anstich zum Münchner #Oktoberfest gemeinsam mit OB Dieter Reiter. Hatte heute zum ersten Mal als MP eine Lederhose an 😀 Die Wiesn und #Bayern gehören einfach zusammen. Lebensfreude, Brauchtum und… pic.twitter.com/jndYBfDGKU
— Markus Söder (@Markus_Soeder) September 21, 2024
Der neue Wille zu Frieden und Versöhnung des einstigen Maßnahmen-Ultras dürfte allerdings eine weitere Enttäuschung für all diejenigen sein, die ihren Pandemie-Anführern in ihren autoritärsten Zeiten so fanatisch gefolgt sind, daß sie an der Richtigkeit ihres Handelns auch jetzt noch festhalten, wo etliche ihrer Anweisungsgeber bereits zugegeben haben, daß sie falsch lagen. Wer sich vor Freunden, Kollegen und Nachbarn so weit aus dem Fenster gelehnt hat, will sich nicht so einfach in die Dunkelheit der eigenen Schande zurückziehen. Es ist schließlich schlimm genug, daß sich die Regierenden jetzt so kläglich von ihren Kampfposten gegen die „Schwurbler“ und „Impfgegner“ entfernen.
Merz spielt den Konservativen
Nun ist es offiziell: Friedrich Merz wird der Kanzlerkandidat von CDU/CSU bei der nächsten Bundestagswahl. In einer seiner ersten „Amtshandlungen“ in dieser Funktion hat der 68jährige Sauerländer direkt wieder in den pseudokonservativen Autopiloten geschaltet und beim Wahlkampfabschluss der CDU in Brandenburg in Etablierten-Deutsch vor der bösen AfD gewarnt. Zugleich setzte er noch ein klares „Laßt mich die Wahl nicht rückgängigmachen“-Signal an seine Partei in dem ostdeutschen Bundesland. „Sie widerspricht allem, was den Kern und die Seele unserer Partei ausmacht“, sagte der Kanzlerkandidat, dessen Partei ebenfalls für Massenmigration, grüne Energiepolitik und die größten Freiheitseinschränkungen in der Geschichte der Bundesrepublik steht.
Dann legte der CDU-Politiker noch eine der abgedudelsten Platten auf, die die Anti-AfD-Rethorik zu bieten hat. „Ja, wir wollen die Flüchtlinge und die Zahl der Asylbewerber begrenzen, aber wir tun das nicht mit einem ausländerfeindlichen Unterton“, betonte Merz. „Der Unterschied zwischen Patrioten, die ihr Land lieben, und Nationalisten ist ganz einfach: Wir lieben unser Land. Nationalisten hassen alle anderen“, schwadronierte der CDU-Recke, der sich und seine Partei ganz unironisch zu „Patrioten“ zählt. Der Applaus seiner Genossen und möglichen Koalitionspartner dürfte ihm mit dieser Phrasendrescherei immerhin sicher sein.