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Wahl im Nordwesten: Ist ja bloß Bremen

Wahl im Nordwesten: Ist ja bloß Bremen

Wahl im Nordwesten: Ist ja bloß Bremen

Der alte ist auch der neue Bürgermeister von Bremen: Andreas Bovenschulte (m.).
Der alte ist auch der neue Bürgermeister von Bremen: Andreas Bovenschulte (m.).
Der alte ist auch der neue Bürgermeister von Bremen: Andreas Bovenschulte (m.) Foto: picture alliance/dpa | Sina Schuldt
Wahl im Nordwesten
 

Ist ja bloß Bremen

So unaufgeregt, wie der Norddeutsche an sich ist, ist es auch mit der Wahl in Bremen. Die SPD wetzt ihre Scharte von der vergangenen Wahl aus, der Rest wird nüchtern zur Kenntnis genommen. Wobei der Urnengang an der Weser eine Erkenntnis zur nichtangetretenen AfD bereit hält. Ein Kommentar.
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Seien wir mal ehrlich: Wer wußte, bevor kurz vor diesem Wahlsonntag auch überregional über die politische Lage an der Weser berichtet wurde, daß der bisherige und nach derzeitigem Stand der Dinge wohl auch künftige Senatspräsident und Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen Andreas „Bovi“ Bovenschulte heißt? Eben.

Wer spaßeshalber den Wahl-O-Mat ausgefüllt hat, merkte spätestens bei der Frage, ob „aufgesetztes Parken“ erlaubt oder „die Straßenbahn aus der Obernstraße in die Martinistraße verlegt“ werden soll, daß es sich hier eigentlich um eine Kommunalwahl handelte.

Entsprechend achselzuckend dürfte daher das Ergebnis dieser Bürgerschaftswahl im Rest der Republik wahrgenommen werden. Die SPD mit dem Amtsinhaber-Spitzenkandidaten kann weiter das kleinste Bundesland regieren. Wie ununterbrochen seit Wilhelm Kaisens Wahl im Juli 1945. Und genauso sicher wird Bremen auch weiterhin auf den innerdeutschen Ranglisten in Sachen Wirtschaft und Bildung den letzten Platz belegen. Sei’s drum.

Bremen bedeutet Katzenjammer für die AfD

Drei Stimmen im Bundesrat sind nicht die Welt, und daß der Zweistädtestaat das einzige Land im Westteil der Bundesrepublik ist, in dem die Linkspartei mitregiert, fiel nicht weiter ins Gewicht. Sogar in den meisten Parteizentralen dürfte man den heutigen Abend zeitnah abhaken. Die SPD hat ihr Ziel, stärkste Kraft zu werden, erreicht. Die Scharte von 2019 ist im Verständnis der Genossen ausgewetzt. Mutmaßlich stellen sie also wieder den Regierungschef; mit wem sie koalieren, wird sich weisen. Die Zeichen stehen eher auf Weiter-so.

Die CDU redet sich die rund 25 Prozent als Achtungserfolg schön. „Wir können doch Großstadt“, schulzerklopft man sich im Adenauerhaus. Dem bäuerlich geprägten Spitzenkandidaten Frank Imhoff haben sie schließlich nicht nur ein stark grüngefärbtes Programm verordnet, sondern auch noch Wiebke Winter von der Klima-Union an die Seite gestellt. Ein Rezept wie zu Mutti Merkels Zeiten. Die FDP und die Linken, beide nicht gerade erfolgsverwöhnt bei den jüngsten Urnengängen in den Ländern, haben den Wiedereinzug geschafft und können sich eine Verschnaufpause beim Überbringen schlechter Nachrichten gönnen.

Länger anhaltenden Katzenjammer dürfte es dagegen bei den Grünen und der AfD geben. Das ist jeweils für sich genommen nicht erstaunlich, in der Kombination allerdings durchaus. Denn normalerweise bilden sie Erfolg und Mißerfolg wie kommunizierende Röhren ab: Geht’s für die einen rauf, dann für die anderen runter – und umgekehrt.

Grüne verscherzen es sich mit Normalos

Die in der Gunst merklich abgeschmierten Grünen hatten erst kein Glück mit der von ihrer Verkehrssenatorin Maike Schaefer oktroyierten Mobilitätswende, die den staugeplagten Bremern das Autofahren vergällt; dann kam auch noch das Pech dazu – in Form bundespolitischer Tiefschläge: Der Klüngel im Klimaministerium des Robert Habeck kommt auch bei der eigenen Klientel nicht allzu gut an. Beim „gemeinen“ Volk, also der Randgruppe arbeitender, steuerzahlender, Kinder erziehender, Häuschen bewohnender Normalos, ist die Begeisterung für Grün ohnehin gefallen, seit die Preise für Energie und Einkauf stiegen. Selbst bestimmen möchte der Deutsche eben lieber, womit er heizt, als welches Geschlecht er hat.

Die AfD wiederum kann sich den peinlichen Wahltag an der Weser allerhöchstens noch dadurch schönreden (oder -trinken), daß sie ja erst gar nicht antrat. Streng genommen hat sie also nicht der Wähler, sondern das Wahlrecht abgestraft, kann sie behaupten. Um eine Einsicht freilich kommt die Partei nicht herum: Es war einzig und allein ihr Versagen. Punkt. Und das begann nicht erst an dem Zeitpunkt, da zwei Gruppen des zerstrittenen AfD-Landesverbandes behaupteten, sie seien der „wahre“ Vorstand mit dem Recht, eine Landesliste einzureichen.

Blamiert hatte sich die Partei bereits lange vorher: Mit einer Fraktion, die sich in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode durch rein taktisch motivierte Austritte auflöste und mit Abgeordneten, die sich auf Kosten der Steuerzahler ein luxuriöses Wohnmobil zulegen wollten, nur um später die Zahlungsunfähigkeit ihrer Gruppe feststellen zu lassen. „Deutschland, aber normal“?

Bürger in Wut können jubeln

Nun hat die AfD die Quittung dafür bekommen, daß ihr Bundesvorstand das Problem verschleppte und nicht die Traute hatte, lange genug vor der Wahl den Chaosladen unter Kuratel zu stellen. Aber letztlich dachte man auch da: Was soll’s  ist ja bloß Bremen, warum sich die Finger verbrennen? Nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, will man den Landesverband auflösen und neu gründen, ist unter der Hand zu hören.

Profitiert von der Blamage in Blau davon haben ganz unzweifelhaft die Bürger in Wut (BiW), die heute landesweit erstmals die Fünfprozenthürde übersprangen. Das belohnt zum einen deren Gründer und Vorsitzenden Jan Timke, der eineinhalb Jahrzehnte nahezu als Einzelkämpfer in der Bürgerschaft vertreten war und in dieser Zeit Probleme und Ärgernisse anprangerte, um die andere lieber einen politisch korrekten Bogen machten.

Bremer Wellen bleiben sanft

Mögen die BiW auch eine Bremische Besonderheit sein und bleiben, eines offenbaren ihre gut zehn Prozent durchaus mit bundesweiter Ausstrahlung: Es gibt ein nicht unerhebliches Potential von Wählern, deren Unzufriedenheit mit dem Lauf der Dinge in diesem Land – seien es die erodierende Innere Sicherheit, die milliardenteure „ökologische Transformation“ oder die immer stärker im Alltag sicht- und spürbaren Folgen der Migration – so groß ist, daß ein paar rhetorische Floskeln oder kosmetische Reparaturen sie nicht mehr besänftigen; Leute, die von den etablierten Parteien mutmaßlich nicht mehr erreicht und zurückgewonnen werden können; Leute, die dann zur Not an der Urne ihr Kreuz auch bei einer Alternative für die Alternative für Deutschland machen.

Ansonsten werden die Wellen, die die Wahl an der Weser schlägt, alles in allem eher sanft bleiben. Für die nächsten vier Jahre wird sich der Rest Deutschlands wieder genauso wenig für Bremen, für „Bovi“ Bovenschulte, für „aufgesetztes Parken“ und die Straßenbahn in der Martinistraße interessieren wie vor diesem Wochenende.

Der alte ist auch der neue Bürgermeister von Bremen: Andreas Bovenschulte (m.) Foto: picture alliance/dpa | Sina Schuldt
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